Die SBB bieten über die kostenlose Telefonnummer 0800 11 44 77 neu rund um die Uhr all jenen Passagieren fernmündlichen Beistand an, die vor Billettautomaten stehen wie der berühmte Esel am Berg. Ein halbes Jahrhundert nachdem die mechanisierte Distribution von Fahrausweisen Einzug gehalten hat, kommt diese Massnahme einer Kapitulation vor der Komplexität dieser Maschinen gleich und vor einem Tarifsystem, das vor allem an den Schnittstellen zwischen Tarifverbunden Komplexität nicht reduziert, sondern maximiert.
Die Bundesbahnen lancieren diese spezifische Form der dargebotenen Hand im Zusammenhang mit dem Ersatz von 1000 Billettautomaten an ihren Bahnhöfen und Haltestellen. Waren die teuren Kästen einst Symbole für Rationalisierung und Fortschritt, so wirken sie heute – nach den revolutionären Entwicklungen der letzten Jahre in der Telekommunikation – nicht nur ihrer klobigen Erscheinung wegen wie Dinosaurier aus einer vergangenen Zeit.
Noch einen Schritt weiter als ihr Mutterhaus geht die SBB-Tochter Zentralbahn, welche die Bahnlinien nach Engelberg und über den Brünig betreibt. Sie verweist ratlose Kunden seit etwas mehr als einem Monat von den Automaten an nahe gelegene Dienstleister – zum Beispiel an Verkehrsbüros. Dort werden sie von Menschen aus Fleisch und Blut über die Anwendung der Apparate und deren Verkaufssortiment aufgeklärt.
Ob daraus ein reverser Rationalisierungsschritt wird und der Mensch beim Verkauf von Billetten an all jene, die nicht mit Smartphones ausgerüstet sind, seinerseits die Maschine verdrängt? Wie dem auch sei, ob die eben eingeleitete Konvergenz von Kasten und Kopf Bestand hat oder nicht: Solange das Tarifsystem des öffentlichen Verkehrs ein Buch mit sieben Siegeln ist, bleibt guter Rat beim Billettkauf teuer.
Quelle: Paul Schneeberger, Bei Billetten ist guter Rat teuer. Neue Zürcher Zeitung 235 (2. Dez.): 12
Oft liegt es wirklich nicht an den Maschinen, sondern an den Köpfen, die unsägliche Komplexitäten schaffen und zulassen. Im föderalistischen Gefüge (kantonale Hoheiten) ist es schwierig, das Problem an der Wurzel zu packen. Und deshalb werden die Maschinen wohl weiter optimiert werden müssen…