Schweizer Detailhandel im Umbruch

Wie die NZZ in ihrer Ausgabe vom 20. Mai 2005 schreibt, wird derzeit da und dort in der Schweiz der gewerbliche Lebensmittelhandel quasi neu erfunden. Das ist die Folge des Rückzugs der Rewe-Tochter Bon appétit Group aus der Belieferung und Marketingunterstützung des kleinflächigen Detailhandels durch die traditionsreiche Grossistin Usego. Diese Kapitulation vor den unüberwindlichen Rentabilitätsproblemen betraf allein in der Deutsch- und der Westschweiz zusammen (ohne Tessin) über 1500 Detaillisten, Franchisenehmer der Marken “Primo” und “Visavis” sowie reine Warenbezüger. In der Deutschschweiz wurden die Verträge an die zum agrarwirtschaftlichen Konglomerat Fenaco gehörende Volg Konsumwaren AG in Winterthur, in der Westschweiz an die Handels-Holding La Valaisanne in Martigny verkauft, zu der auch die Grossistin Valrhône gehört. Viele der “frei” gewordenen Detaillisten haben sich anderen Franchise-Systemen zugewandt, in der Deutschschweiz neben Volg auch Spar oder Denner.

Viele sind indessen bezüglich Ladenfläche und Umsatz für Volg zu klein oder zu gross, für Spar oder Denner häufig zu klein, oder sie mögen sich nicht allzu eng in ein System einbinden. Vereinzelt sind deshalb nun auch Initiativen für Neuschöpfungen bekannt geworden, etwa unter der Marke “Marktplatz” in der Innerschweiz oder “Treffpunkt Frischmarkt” für die ganze Ostschweiz; das Liefergebiet reicht gar bis nach Liechtenstein.

Das “Treffpunkt”-Modell des Beraters und Handelsspezialisten Manfred Schulz ist als Teil-Franchising für jene konzipiert, die nicht integral in ein System eingebunden sein wollen, und es soll für jede Ladengrösse und jeden Ladentyp, vom reinen Lebensmittelladen bis zum Fachgeschäft, geeignet sein. Die 2004 gegründete Pro Trade & Retail AG von Schulz fungiert als Marketingorganisation; die Belieferung mit Frischprodukten erfolgt seitens spezialisierter Partner, das Trockensortiment liefert die Walliser Valrhône. Bezüglich Ladenfläche und Jahresumsatz haben die Detaillisten keine Vorgaben, auch ist pro Lieferung kein Abladewert definiert, wohl aber eine fixe Transportpauschale fällig. Die minimale Ladenmarge wird mit 18% bis 20% versprochen (mehr als bei einem Denner-Satelliten, weniger als bei Volg), und zwar auf der “Verkaufspreis-Basis Coop/Primo” (was beileibe nicht dasselbe ist). Das Pflichtsortiment umfasst 1500 Artikel, das Ergänzungssortiment nochmals 1500 Artikel, was für einen Kleinladen zusammen recht viel ist, zumal – eines der Hauptprobleme in den Systemen und auch einer der Knackpunkte für die Usego – für beide Sortimentsteile 100% Bezugstreue verlangt und die zusätzliche Beschaffung regionaler Produkte gefordert wird. Wie das alles kostendeckend und marktgerecht aufgehen soll, ist nicht leicht einsehbar. Ob da bei gewerblichen Detaillisten nicht eher wieder Illusionen geweckt werden?

Illusionen bei gewerblichen Detaillisten oder wie sich die Nachhaltigkeit einer Geschäftsidee nicht anhand der Marge schlüssig beurteilen lässt.

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