Wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 12. Dezember 2006 schreibt, haben der Aufsichtsrat von Siemens, dessen Prüfungsausschuss sowie der Vorstand am Montag entscheidende Schritte zur nachhaltigen Bewältigung der Korruptionsaffäre eingeleitet, die den Konzern in der öffentlichen Wahrnehmung weiterhin schwer schädigt. Der Konzern öffnet sich einer unabhängigen externen Überprüfung der Vorgänge, die mutmasslich zur Veruntreuung von rund 200 Mio. € durch eine betrügerische Bande von Managern in der Kommunikationstechnik-Sparte sowie vermutlich zu Korruptionsfällen in verschiedenen Ländern geführt haben. Zusätzlich werden sämtliche Regeln und Kontrollsysteme von externen Experten überprüft. Siemens macht mit den der internationalen «best practice» entsprechenden Massnahmen deutlich, dass es das Unternehmen eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle wünscht.
Konzernchef Klaus Kleinfeld erklärte erneut, bei Verstössen gegen interne oder gesetzliche Regeln gebe es keine Toleranz. Mögliche Mängel der internen Regeln, Prozesse und Kontrollsysteme würden aufgespürt und mit aller Konsequenz beseitigt. Dies ist, sofern auch die Ergebnisse der Untersuchungen lückenlos veröffentlicht werden, gemäss Anti-Korruptions-Experten der einzige Weg, um die verlorengegangene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Der vom Vorsitzenden der Regierungs Kommission Deutscher-Corporate-Governance-Kodex, Gerhard Cromme, präsidierte Prüfungsausschuss hat die renommierte und international tätige amerikanische Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton LLP mit einer umfassenden und unabhängigen Überprüfung der Vorgänge um den mutmasslichen Korruptionsskandal beauftragt. Zudem sollen die US-Rechtsexperten die internen Regel- und Kontrollsysteme (Compliance) untersuchen. Bei ihrer Arbeit werden sie von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, welche den Jahresabschluss des Konzerns prüft, begleitet sowie von einer selbst zu ernennenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterstützt werden. Die Untersuchungen sollen nach Angaben von Siemens umfänglich und unabhängig sein; deshalb werden kaum einschränkende Vorgaben gemacht.
Bei der Auswahl der Anwaltskanzlei wurde darauf geachtet, dass die Gesellschaft insbesondere auch in den USA, in denen die strengsten Rechtsstandards gelten, kompetent und anerkannt ist und bisher noch keine Kontakte zu Siemens hatte. Auch die von ihr zu wählende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft soll diesen Kriterien entsprechen. Damit wird die notwendige Unabhängigkeit unterstrichen, aber gleichzeitig auch gegenüber der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC die gründliche und kompetente Aufklärung und Behebung der internen Mängel signalisiert. Mit der SEC ist Siemens gemäss dem Sprecher in Kontakt. Bisher gab es keine Anzeichen, welche auf die Eröffnung einer formalen Untersuchung durch die Behörde hinweisen würden.
Neben der externen Prüfung haben der Prüfungsausschuss und der Vorstand den Anti-Korruptions-Experten Michael J. Hershman als Berater engagiert. Hershman ist ein Gründungsmitglied der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International; er gehörte jahrelang dem Vorstand von deren amerikanischer Sektion sowie dem Watergate-Ausschuss des US-Senats an und berät auch den Generalsekretär von Interpol. Er soll die Siemens-Gremien bei der Ausgestaltung der Organisation, Kontrolle und Überprüfung der internen Anti-Korruptions-Regeln sowie der Kommunikation und Schulung beraten. Auch ihm wird uneingeschränkte Kooperation und Unabhängigkeit zugesagt. Schliesslich wird für die Führung der Compliance-Abteilung, über deren Verwicklung in die Affäre es Spekulationen gab, ab Januar 2007 ein Experte in der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität von aussen berufen.
Trotz IKS ist ein Unternehmen nicht vor Unbill gefeit. Nichtsdestotrotz ist IKS ernst zu nehmen und auch diesbezüglich nachhaltige Verbesserungen anzustreben.