Schleppende Lohnauszahlung im Schulwesen

Gabriela Rothenfluh ist für die Schulbildung von 6000 Kindern verantwortlich – und sie ist frustriert. «Es melden sich Leute bei uns, die im Sommer gearbeitet haben und immer noch keinen Lohn erhalten haben.» […] Vikarinnen und Vikare – Aushilfslehrpersonen, auf die Schulen mehr denn je angewiesen sind – erhalten vom Kanton Zürich ihren Lohn oft nicht rechtzeitig ausbezahlt.

Seit den Sommerferien funktionieren viele Schulen im Kanton Zürich im Spezialmodus: Wegen des anhaltenden Lehrermangels erlaubt die Bildungsdirektion neben ausgebildeten Fachkräften auch Laien im Schulzimmer. Einige Schulen müssen sich mit Vikarinnen und Vikaren von Absenz zu Absenz hangeln. Lehrpersonen also, die eine Vertretung übernehmen: für einige Tage, mehrere Wochen oder Monate. Bezahlt werden sie in der Regel im Stundenlohn. Solche Stellvertretungen sind nichts Ungewöhnliches. […] Ungewöhnlich ist aber die Zahl der Vikariate. Sie ist in den letzten Jahren stark angestiegen: Waren es im Schuljahr 2017/18 noch 15’233, sind es zurzeit 28’740. […]

Die Zunahme an Vikariaten bringt das Volksschulamt nun offenbar an die Belastungsgrenze. Doch weshalb verursachen einige tausend zusätzliche Lohnauszahlungen solch langanhaltende Verzögerungen? […]

Das Problem liegt einerseits darin, dass das Volksschulamt einen personellen Engpass in der Lohnbuchhaltung hatte, den es bereits im August kommunizierte. Unterdessen wurde das Personal in der entsprechenden Abteilung aufgestockt. Andrerseits hinkt die Verwaltung aber auch punkto Effizienz und Digitalisierung hinterher. Der Prozess bis zur Lohnauszahlung für ein Vikariat ist langwierig, wie das Beispiel des Schulkreises Waidberg in Zürich zeigt: Dort müssen die Schulen der Kreisschulbehörde jede Stellvertretung melden. Diese muss die Meldung dem kantonalen Volksschulamt weiterleiten. Dieses generiert daraufhin ein Formular, das die Vikarin oder der Vikar ausfüllen und per Post zurückschicken muss. Und dann beginnt die Bearbeitung des Lohngesuchs erst.

«Der Aufwand ist absurd», sagt Kreisschulpräsidentin Rothenfluh. Ihre Behörde müsse allein für das Entgegennehmen und Weiterleiten der Anträge einen Studenten im 15-Prozent-Pensum beschäftigen. […]. Die Prüfung (Anm.: der Lohngesuche) dauere auch deshalb so lange, weil der Kanton es mit der Kontrolle viel zu genau nehme. «Es herrscht eine Grundstimmung des Misstrauens gegenüber uns Schulbehörden.» […]

In der Verwaltung hat man die Problematik des Bürokratie-Wusts erkannt. Man arbeite nun daran, die Prozesse zu digitalisieren, sagt Myriam Ziegler, Leiterin des kantonalen Volksschulamts. Gegenwärtig kann das Volksschulamt nicht einmal beziffern, in wie vielen Fällen sich die Lohnauszahlung zurzeit verzögert. Ziegler weist einen Teil der Verantwortung für die Verspätungen von sich: «Wenn irgendwo im Prozess jemand die Vorgaben nicht einhält oder fehlende Angaben macht, wirkt sich das auf den Auszahlungszeitpunkt aus.» Mit anderen Worten: Die Ursachen für eine verspätete Lohnzahlung lägen nicht immer beim Kanton. Auch bei der Meldung der Schulbehörden oder der Aushilfen könne es zu Verzögerungen oder Fehlern kommen. […]

Quelle: NZZ vom 13.12.2022, S. 12

Der Artikel beschreibt die unhaltbaren Zustände in der Lohnauszahlung der Zürcher Schulen. Die Gründe für die Malaise sind vielschichtig. Zum einen liegt es sicherlich an der bürokratischen Arbeitsweise und an der systeminhärent fehlenden Marktwirtschaftlichkeit. Dies manifestiert sich dadurch, dass die kantonale Verwaltung zur Problemlösung einfach mehr Personal ansetzt. Dabei hätte das Übel schon längst an der Wurzel gepackt werden müssen. 

Bevor aber zur “Digitalisierung” geschritten wird, wären die Arbeitsprozesse im Sinn von “Business Process Re-Engineering (BPR)” grundlegend zu hinterfragen und zu vereinfachen. 

Die Anzahl der im Prozess involvierten Stellen ist schon mal möglichst zu reduzieren. Sodann sind die Kontrollen systembasiert anzulegen, um Falschmeldungen gleich bei ihrer Entstehung zu erkennen und abzufangen (Beispiel: Onlineerfassung von Kreditkartenspezifikationen). Rückfragen wegen falschen oder unvollständigen Meldungen und Lohngesuchen müssen sich folglich erübrigen. Falls es zusätzliche manuelle Kontrollen braucht, ist eine Beschränkung auf Stichproben angesagt. Nebenbei bemerkt erscheint die Bezeichnung “Lohngesuch” als völlig deplatziert, handelt es sich ja vielmehr um schlichte Meldungen von geleisteten Stunden.

Im Endeffekt müsste dank Vernetzung von Stundenmeldung, automatisierter Lohnberechnung und Lohnauszahlung das überaus lange Warten auf den Lohn der Vergangenheit angehören und alle Beteiligten nachhaltig zufriedenstellen. 

PS: Ein Leser aus Muri bei Bern fordert in einem Brief an die NZZ vom 23.12.22, die Steuergelder von “ideologischen Projekten” sinngemäss in die Remedur der “Lohnauszahlung” umzulenken. Gem. Vitus ist Geld indes nicht alles – es geht vielmehr um ein kritisches Hinterfragen der gegenwärtigen Arbeitsweise, um auf effektivere und effizientere Arbeitsprozesse zu kommen. 

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