Nun macht SBB-Chef Andreas Meyer ernst. Wie ein Damoklesschwert hängen die ständig steigenden Aufwendungen für Betrieb, Erhalt und Erneuerung der Bahninfrastruktur über seinem Kopf, welche der forcierte Ausbau des Bahnangebots nach sich zieht. Mit weiter wachsenden Zuschüssen der öffentlichen Hand dürfen die Bundesbahnen aber kaum mehr rechnen. Und ihre Tarife können sie auch nicht mehr stetig weiter erhöhen, wenn sie im Wettbewerb mit der Strasse und andern Anbietern bestehen und sich die Kundengunst nicht verscherzen wollen.
Gefangen in dieser Zwangslage, versucht Meyer nun den Befreiungsschlag. Er will bis 2020 die Kosten um 1.2 Milliarden Franken jährlich zurückfahren und netto 1200 von 33 200 Stellen abbauen. Das sind harte Sparmassnahmen, aber sie sind nötig, denn die SBB müssen wie jedes Unternehmen im verschärften Wettbewerb kostengünstiger, effizienter und besser werden. Gespart wird in der Administration, bei Unterhalt, IT und Investitionen, vor allem aber beim Personal: Während bei der Zugsbegleitung und bei der Reinigung 200 Jobs hinzukommen, streichen die SBB in der Verwaltung 500 Stellen, im Verkauf 220, beim Rangierpersonal 165, in weiteren Abteilungen 250. In all diesen Bereichen wollen die SBB Prozesse optimieren und verschlanken oder reagieren auf veränderte Anforderungen. So ist es durchaus nachvollziehbar, dass sie die Schalterpräsenz ausdünnen, da Kunden ihre Billette ohnehin vermehrt am Automaten oder online beziehen.
Irritierend am geplanten Personalabbau ist einzig, dass auch in der Verkehrssteuerung 250 Stellen gestrichen werden sollen, also bei jenen Mitarbeitenden, die für den zuverlässigen Betrieb und für die rasche Behebung von Störungen sorgen. Stellen die SBB diese Leistungen angesichts der immer dichter getakteten Fahrpläne nicht anderweitig sicher, werden die Bahnreisenden das unmittelbar durch mehr Verspätungen und Zugsausfälle zu spüren bekommen.
Meyer verspricht, dass es trotz dem Sparprogramm bei der Sicherheit und der Qualität keine Abstriche gibt. Zudem stellt er in Aussicht, dass die Preise im Personenverkehr stabil bleiben oder langfristig «möglicherweise» gar sinken. Das sind gewagte Versprechungen. Und genau daran wird Meyer letztlich gemessen. Der weltweit rekordmässige Goodwill, den die Bahnen in der Schweiz geniessen, und auch die Zahlungsbereitschaft der Kunden und Steuerzahler hängen davon ab, dass die SBB auch in einer Zukunft unter erhöhtem Spardruck für Sicherheit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit und Komfort stehen. Man hofft, dass sich der Bahnchef nicht zu weit zum Fenster hinausgelehnt hat.
Quelle: Helmut Stalder: „SBB-Sparprogramm, Vollmundiges Versprechen„, Neue Zürcher Zeitung, 23.9.2016, S. 11.
Was sind harte Sparmassnahmen? Die NZZ beurteilt den Abbau von 1200 SBB-Stellen über 4 Jahre, also rund 1% p.a. als “hart”. Die Privatindustrie, die um ihre Wettbewerbsfähigkeit kämpfen muss, ist sich eine andere Gangart gewohnt. Im Weiteren äussert sich die NZZ besonders kritisch zum beabsichtigten Personalabbau in der Verkehrssteuerung. Dabei korreliert ihre Qualität nicht zwangsläufig mit der Menge an Personal. Mit schlankeren Prozessen und stabilen Informatiklösungen liesse sich die gegenwärtige Qualität der Verkehrssteuerung zweifellos gewährleisten, wenn nicht sogar verbessern.