Publigroup orientiert sich neu

Weniger ist offensichtlich manchmal mehr. Der Verkauf des traditionellen Geschäfts mit Werbung in der gedruckten Presse löste an der Börse einen Höhenflug der PubliGroupe-Papiere aus. Zeitweise war die Firma ein Drittel mehr wert als am Vortag. Für einen tiefen zweistelligen Millionenbetrag trennt sich die ins Trudeln geratene Gruppe nach 98 Jahren von der defizitären Publicitas.

Verwaltungsratspräsident Hans-Peter Rohner sprach am Mittwoch vor den Medien von einem «historischen» Schritt; dieser lässt den Umsatz von knapp 270 Mio. Fr. auf noch rund 150 Mio. Fr. schrumpfen und soll gleichzeitig aber ein positives operatives Resultat für 2014 von 20 Mio. Fr. möglich machen. PubliGroupe wird dann über 80% der Erlöse aus digitalen Quellen erwirtschaften. Auch für die verbleibenden Pressebeteiligungen sucht die Firma Abnehmer (vgl. Zusatz). Der vorgesehene Käufer von Publicitas ist Aurelius, eine börsenkotierte bayrische Beteiligungsgesellschaft mit Büros in München und London. Die keine zehn Jahre alte Firma ist auf die Übernahme und Sanierung von Unternehmen spezialisiert. Derzeit sind es knapp 20 Firmen aus den Branchen Industrie, Chemie, Dienstleistung, Konsumgüter, Technologie und Medien, etwa Blaupunkt, Getronics Europe oder Studienkreis. Der Konzern erwirtschaftete 2013 einen Umsatz von 1,5 Mrd. € und einen Betriebsgewinn von gut 160 Mio. €.

In Zürich erklärte – an der Stelle des abwesenden Konzernchefs – das Geschäftsleitungsmitglied Donatus Albrecht, wie die Firma den Sanierungsfall anzupacken gedenke. Sie seien nicht intelligenter als die bisherigen Besitzer, sagte Albrecht, aber Aurelius habe keine vergleichbare emotionale Bindung. Deshalb sei es möglich, härtere Entscheide schneller durchzusetzen. Die Beteiligungsgesellschaft übernimmt durch die Transaktion jedoch sämtliche der verbleibenden 860 Publicitas-Mitarbeiter und alle Verpflichtungen aus laufenden Verträgen.

Publicitas sei besser als ihr Ruf, sagte Albrecht weiter, man habe einfach zu spät auf die sich ändernden Zeiten reagiert. Für den Kauf sprach seiner Meinung nach etwa die starke Marktposition. Ferner sieht er Wachstumspotenzial im Bereich Vermarktung von digitaler Werbung. Die Schweiz liege diesbezüglich hinter anderen Ländern zurück. Überdies will er die von Publicitas-Chef Alain Bandle im vergangenen Jahr angekündigte Strategie weiterverfolgen. Diese sieht die Einrichtung einer digitalen Plattform zur teilweise automatischen Vermittlung von Werbung an verschiedene Medien vor.
Die PubliGroupe leitete den strukturierten Verkaufsprozess im vergangenen Herbst ein. Am Schluss standen zwei verbindliche Offerten zur Auswahl. Der Verwaltungsrat war nach einer strategischen Überprüfung zur Überzeugung gelangt, nicht mehr der geeignete Besitzer zu sein. Stimmen Generalversammlung und Wettbewerbskommission zu, soll die Transaktion Mitte Jahr abgeschlossen sein.

Quelle: sco./cae., PubliGroupe künftig papierlos. Werbevermittler verkauft Stammgeschäft an deutsche Aurelius. Neue Zürcher Zeitung 235 (3.4.14): 23

Die Zeichen der Zeit erkennen, sich von Althergebrachtem zu trennen oder schwierige Geschäftsfelder anders aufzuzäumen bedingt oft einen Paradigmenwechsel.

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