Oberstes Gebot: Qualitäts Management

Wie die NZZ in ihrer Ausgabe vom 6. August 2004 schreibt, besinnen sich gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten viele Unternehmen wieder auf hohe Qualitätsstandards. Der Ursprung des Total Quality Management reicht in die vierziger Jahre zurück; das Konzept wird bis heute in vielen Ländern aktiv weiterentwickelt und unterstützt. So etwa werden in der Schweiz jährlich Unternehmen für besonders hohe Anforderungen an Qualität mit dem Esprix-Preis ausgezeichnet.

Das sogenannte Total Quality Management hat bis heute nicht ausgedient. Im Gegenteil, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besinnen sich viele Unternehmen wieder auf Qualität, und zwar nicht nur bei den Produkten, sondern im gesamten Unternehmen. Als Pionier widmete William Edward Deming in den Vierzigern des vorigen Jahrhunderts seine Forschungsanstrengungen ganz dem Qualitätsmanagement. Doch in den USA schenkte ihm nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs niemand Beachtung. Vielmehr nutzten die Amerikaner ihre immer noch intakten Betriebsstätten aus, um mit einem möglichst grossen Produktionsvolumen auf einen grünen Zweig zu kommen. Die Japaner hingegen konnte der Wissenschafter bald von seinen Ideen überzeugen: Das Total Quality Management wurde hier schnell zu einer vielbeachteten Management-Philosophie; bereits 1950 ist zum ersten Mal ein japanisches Unternehmen mit dem sogenannten Deming-Preis für besonders hohe Qualitätsanforderungen ausgezeichnet worden.

Von Japan nach Amerika und Europa

Die Japaner eroberten in den folgenden Jahrzehnten mit qualitativ hochstehenden und doch billigen Produkten Marktanteile auf der ganzen Welt. Dies ging so weit, dass selbst die stolzen US-Unternehmen einen Blick nach Japan warfen und dabei auf die Deming’sche Qualitätsphilosophie stiessen. In den siebziger und achtziger Jahren kam diese schliesslich auch bei namhaften amerikanischen Unternehmen zur Anwendung. Von staatlicher Seite setzte sich vor allem Malcolm Baldrige, der von 1981 bis 1987 als Secretary of Commerce agierte, für Qualität in den Unternehmen ein. Der US-Kongress rief 1987 ein Belohnungsprogramm für Organisationen mit hohen Anforderungen an Qualität und Leistung ins Leben. Der Baldrige Award wird bis heute jährlich verliehen. Er basiert auf einem Qualitätsmodell, das auf den Ideen von Deming beruht und durch die Befragung von zahlreichen Unternehmen stetig weiterentwickelt wird.

Das Konzept dieses Preises schwappte auch auf Europa über. 1988 gründeten 14 grosse Unternehmen (unter ihnen Nestlé, Ciba-Geigy und Sulzer) die European Foundation for Quality Management (EFQM), die sich die Entwicklung eines europäischen Modells für Qualitätsmanagement auf die Fahne schrieb. Das sogenannte EFQM-Modell für Business Excellence wird bis heute von der Organisation betreut und mit Hilfe der Praxis kontinuierlich angepasst. 1992 wurde zum ersten Mal ein Preis für Qualität auf europäischer Ebene verliehen. In der Schweiz wurde 1998 das Esprix-Programm von der SQA Swiss Association for Quality mit Unterstützung diverser Sponsoren ins Leben gerufen. Die unabhängige Stiftung Esprix verleiht jährlich Preise, einerseits für kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU), anderseits für grosse Unternehmen (über 250 Mitarbeiter), die das EFQM-Modell am besten anwenden. Den eigentlichen Award kann aber nur ein Unternehmen gewinnen, der Beste unter den Guten. Die Stiftung wird von Sponsoren getragen und ist mit einem Stiftungsrat, einem Patronatskomitee und einer Geschäftsführung ausgestattet. Der Stiftungsrat steht unter dem Vorsitz von alt Ständerätin Vreni Spoerry; das von Bundespräsident Joseph Deiss präsidierte Patronatskomitee umfasst zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Die Geschäftsführung der Stiftung hat der Berater Heinz Liedtke inne.

Nachhaltige Entwicklung

Der Grundgedanke ist bei allen Modellen derselbe: Qualitätsmanagement soll sich nicht auf die technischen Funktionen zur Sicherstellung der Produktqualität beschränken, sondern sämtliche Bestrebungen umfassen, das Unternehmen kontinuierlich zu verbessern. Oberstes Ziel soll eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens sein. Grundsätzlich ist das EFQM-Modell eine Art grosse Checkliste, welche die Wirkungszusammenhänge in einem Unternehmen aufzeigen soll. Das Modell umfasst neun Kriterien (Führung, Mitarbeit, Politik und Strategie, Partnerschaft und Ressourcen, Prozesse, mitarbeiterbezogene Ergebnisse, kundenbezogene Ergebnisse, gesellschaftsbezogene Ergebnisse, Schlüsselergebnisse). Diese sind im Sinn des sogenannten Radar-Konzeptes (Results, Approach, Deployment, Assessment und Review) umzusetzen. In anderen Worten soll ein Unternehmen zuerst die gewünschten Ergebnisse bestimmen, das Vorgehen für die Umsetzung planen, die Umsetzung durchführen und schliesslich sowohl das Vorgehen wie auch die Umsetzung bewerten und überprüfen. Die Bewertung der Unternehmen, die sich für den Preis bewerben, wird in der Schweiz von vier bis acht Leuten durchgeführt. Eine Jury (Präsident der Jury war seit der Gründung von Esprix Prof. Dr. Hans Dieter Seghezzi, in diesem Jahr wurde er von Prof. Dr. Fritz Fahrni abgelöst) entscheidet schliesslich über die Gewinner. Doch gewinnen ist das eine, mitmachen das andere. Denn bereits das Einreichen der rund 75 Seiten umfassenden Bewerbung kann für ein Unternehmen – laut dem Geschäftsführer von Esprix – sehr lehrreich sein. Zudem erhalten die Unternehmen von den Assessoren ein Feedback über den Stand des Qualitätsmanagements.

Was bringt ein Excellence-Modell?

Das Modell kann grundsätzlich von allen Unternehmen angewandt werden. Es ist branchen- und grössenunabhängig. In der Schweiz hat sich laut Liedtke aber gezeigt, dass KMU das Modell schneller umsetzen können. Grosse Firmen müssten mehr als sechs Jahre rechnen, bis sie sich zu Organisationen entwickelt haben, die eine umfassende Qualität mit entsprechenden Ergebnissen aufweisen. Die Finalisten des Esprix-Preises waren in den vergangenen Jahren denn auch vorwiegend KMU; dieses Jahr waren erstmals vier der fünf Finalisten Grossunternehmen. Bei grossen Konzernen können aber auch einzelnen Sparten, Divisionen oder gar Abteilungen das Excellence-Modell individuell anwenden. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung des Modells ist laut Liedtke vor allem das persönliche Engagement der obersten Führung. Der Nutzen des EFQM-Modells ist zwar noch nicht genau analysiert worden, derjenige seines Pendants jenseits des Atlantiks indessen schon. In Amerika haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass Unternehmen, die dem Excellence- Modell nachleben, höhere Umsätze und Gewinne, eine höhere Produktivität, eine bessere Aktien-Performance und eine schneller wachsende Zahl von Arbeitsplätzen ausweisen als ihre Konkurrenten.

Das sogenannte Total Quality Management hat bis heute nicht ausgedient. Im Gegenteil, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besinnen sich viele Unternehmen wieder auf Qualität…

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