Mangelnde Risikokontrollen auf “Deepwater Horizon”

Wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 7. Januar 2011 schreibt, war die Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko nicht die Folge übler Machenschaften einzelner Missetäter bei BP, sondern systemischer Schwächen, die über den Verantwortungsbereich des britischen Erdölkonzerns hinausgehen. Zu diesem Schluss kommt die von Präsident Obama im vergangenen Mai eingesetzte Kommission, die am Donnerstag das zentrale Kapitel ihres nächste Woche vorzulegenden Schlussberichts veröffentlicht hat.

Keine Fahrlässigkeit

Die Untersuchungskommission rekonstruiert ähnlich wie schon BP in ihrem im September vorgelegten internen Bericht eine Kette von Risiken und Fehlentscheidungen, die zum Unglück führten. Sie spart nicht mit scharfer Kritik an BP und ihren amerikanischen Partnerunternehmen Halliburton und Transocean, welche im Auftrag von BP den Hauptteil der Arbeiten auf der Bohrplattform «Deepwater Horizon» ausführten. Doch klare Hinweise auf ursächliche Fahrlässigkeit oder Regelverstösse gehen aus dem Kapitel nicht hervor. Der Bericht dürfte deshalb bei BP mit Erleichterung aufgenommen worden sein, da dem Unternehmen mit Blick auf die finanzielle Mitverantwortung seiner Partnerunternehmen sowie auf laufende Bussgeldverfahren sehr daran gelegen ist, den Eindruck fahrlässigen Handelns zu vermeiden.

Im Zentrum der Untersuchung stehen wie im BP-Bericht die von Halliburton ausgeführten Zementarbeiten am Vorabend der Katastrophe, die das 5,5 km unter der Meeresoberfläche in das Erdölfeld Macondo reichende Ende des Bohrlochs versiegeln sollten. Dadurch sollte der Eintritt von Erdöl oder Erdgas in die Bohrstelle verhindert werden, bis jene Monate später von einer anderen Erdölplattform zur Produktion erschlossen werden sollte. Die Zementarbeiten gelangen offensichtlich nicht vollumfänglich, Erdgas konnte in das Bohrloch eintreten und mit gewaltigem Druck bis zur Plattform aufsteigen. Das blieb wegen des Versagens zahlreicher Sicherheitsvorkehrungen bis zuletzt unbemerkt und führte zur fatalen Explosion, in deren Folge elf Menschen starben und Erdöl monatelang in den Golf von Mexiko austrat.

Der Kommission ist es nicht gelungen, die genau Ursache für den Gaseintritt in das Bohrlochs nachzuweisen. Klar wird allerdings, dass sowohl Halliburton wie BP nicht adäquat auf die bekannten geologischen Schwierigkeiten und Risiken an der Bohrstelle eingegangen waren. Halliburton zog aus mehreren negativ ausgegangenen Tests der verwendeten Zementmischung nicht die richtigen Konsequenzen und unterrichtete BP nicht einmal darüber. Letztlich wurde eine Mischung eingesetzt, die nie getestet worden war. BP wiederum hat das Design der Bohrstelle kurzfristig mehrmals verändert und den Einsatz geplanter Sicherheitselemente («centralizer subs») reduziert, weil diese gerade nicht in erforderlicher Zahl vorhanden waren. eide Nachlässigkeiten könnten den Eintritt des Erdgases verursacht haben. Zu den zahlreichen Fehlern, welche den Aufstieg des Gases bis zur Plattform ermöglichten, bringt der Bericht keine neuen Erkenntnisse.

Die Kommission legt den Schwerpunkt auf systemische Hintergründe des Versagens. So sei BP trotz dem Wissen um die geologischen Verhältnisse unnötige Risiken eingegangen. Die an Ort tätigen Manager hätten mehrfach durch Ad-hoc-Entscheidungen Zeit und Kosten sparen wollen, ohne sich über die Risiken ganz klar zu sein. Es gab keine permanente, umfassende Risikoanalyse; kurzfristige Änderungen von Prozessen wurden nicht durch ein Risikomanagementsystem überprüft. Hinzu kam mangelnde Kommunikation zwischen den Partnerunternehmen; niemand hatte den Gesamtüberblick über Probleme und Risiken. Es fehlte an automatischen Warnsystemen sowie an einer adäquaten Ausbildung der Arbeiter für den Fall eines Gasaufstiegs.

Systemische Mängel

Die Kommission betont, dass sich diese Mängel nicht auf BP beschränkten, sondern in den Branchenstrukturen und der ungenügenden Regulierung spiegelten. Die Experten kommen zum Schluss, die geltenden Regulierungen würden den Risiken der Tiefseebohrungen nicht gerecht. Viele Aspekte des Bohrens würden einfach der Branche überlassen. Der Aufsichtsbehörde fehlten die politische Autorität, die technische Kompetenz und die Mittel, um Regeln durchzusetzen. Die Kommission ruft sowohl die Erdölindustrie wie die Regierung dazu auf, ihre Vorgehensweisen zu ändern.

Die Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko war nicht die Folge übler Machenschaften einzelner Missetäter bei BP. Vielmehr lag der Grund in den systemischen Schwächen, deren Ursache ein Führungsdefizit war.

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