Laut Neue Zürcher Zeitung vom 23. August 2012 haben zahlreiche multinationale Konzerne Nachhaltigkeit in ihre Strategie mit Erfolg integriert. Die Beispiele Geberit, Siemens und Unilever zeigen, dass sich die Ausrichtung auch finanziell ausbezahlt hat.
Die Zahlen für die 34 OECD-Mitgliedsländer veranschaulichen die weltweite Konzentration der ökonomischen Aktivität: 1980 umfassten die kumulierten Umsätze der tausend grössten Unternehmen rund 30% des Bruttosozialprodukts (BIP) der OECD, heute sind es mehr als 70%. Die Umsätze dieser Unternehmen verzwölffachten sich, während sich das BIP nur vervierfachte. Mit ihrer Marktmacht und riesigen Zulieferketten prägen diese Mega-Konzerne die Weltwirtschaft in steigendem Masse, und dies natürlich auch in Bezug auf Nachhaltigkeitskonzepte. Nachhaltig aufgestellte Unternehmen orientieren sich in ihrer Strategie nicht nur nach finanzwirtschaftlichen Überlegungen, sondern auch nach sozialen und ökologischen Kriterien. Zudem orientieren sie sich an den Regeln der Good Governance, die darauf abzielen, die Interessen aller Anspruchsgruppen zu berücksichtigen.
Europa ist Vorreiter
Heute verfolgen erst wenige Grossunternehmen eine dezidierte Nachhaltigkeitsstrategie – es werden aber immer mehr. So stieg die Zahl der Unternehmen, die standardisierte Nachhaltigkeitsberichte im Sinne der 1997 gegründeten Global Reporting Initiative (GRI) veröffentlichen, von 2000 bis 2010 um durchschnittlich über 45% pro Jahr von nur 44 auf rund 1800. Knapp die Hälfte dieser Unternehmen stammt aus Europa. – Die Faustregel «What gets measured gets managed» gilt auch in Sachen Nachhaltigkeit und dürfte diesen Trend begünstigen: Was bei vielen als kostenträchtiges Corporate-Social-Responsibility-Programm begann, entwickelte sich sukzessive zu einer durchdachten Nachhaltigkeitsstrategie. Sie trägt dazu bei, eine langfristig positive Geschäftsentwicklung zu sichern.
Unternehmen integrieren ökologische und soziale Zielsetzungen in ihrer Strategie auf eine Weise, dass sie auch einen ökonomischen Nutzen haben. Die Steigerung des Umsatzes und der globalen Marktanteile steht unverändert im Vordergrund. Langfristig ist dies aber nur möglich, wenn die knapper werdenden Ressourcen gesichert sind und dank sparsamem Umgang mit ihnen auch die Kosteneffizienz gewährleistet ist. Das Bewusstsein, dass sich Unternehmen und ihre Märkte nur im Einklang mit Umwelt und Gesellschaft und nicht auf deren Kosten erfolgreich entwickeln können, setzt sich zunehmend durch.
Führende Firmen sind dabei, Nachhaltigkeit in ihre «Corporate-DNA» zu integrieren, das heisst Nachhaltigkeits-Kriterien in sämtlichen operativen Prozessen entlang der Wertschöpfungs- und Zulieferkette zu berücksichtigen. Ziel dabei ist es, nicht nur ökonomischen, sondern möglichst allen Risiken Rechnung zu tragen. Dazu gehören die Veränderung von Umweltbedingungen, drohende Ressourcenknappheit sowie demografische und gesellschaftliche Umwälzungen. Selbstredend werden auch wirtschaftliche Chancen, die sich aus solchen, dank nachhaltiger Ausrichtung besser kontrollierbaren Risiken ergeben, wahrgenommen.
Die Kleinen müssen mitziehen
Chancen wahrnehmen bedeutet neue Opportunitäten nutzen. Diese können erst geschaffen werden oder entstehen als Folge einschlägiger regulatorischer Bestimmungen. Geberit ist ein gutes Beispiel: Mit seinen wassersparenden Produkten im Sanitärbereich profitiert das Schweizer Vorzeigeunternehmen vom Trend zu ressourceneffizienten und daher nachhaltigen Gebäuden. Dasselbe gilt für Siemens. Mit den Produkten und Technologien des Konzerns lassen sich gemäss eigenen Angaben knapp 40% des weltweiten CO2-Reduktionspotenzials adressieren. Der Konzern bewegt sich hier in einem Wachstumsmarkt. 2011 erwirtschaftete das sogenannte Umweltportfolio von Siemens bereits über 30 Mrd. € Umsatz, was 40% der Konzerneinnahmen entsprach. Mittelfristig soll der Bereichsumsatz auf über 40 Mrd. € steigen.
Auch für Unilever ist Nachhaltigkeit und die Verpflichtung, bis 2020 sämtliche Produkte aus nachhaltig erzeugten Rohstoffen herzustellen, Teil der Reputationspflege und ein strategischer Wettbewerbsvorteil. Dabei geht es einerseits um die nachhaltige Sicherung von Rohwaren, unter anderem mit fairen Abnahmepreisen, die das Auskommen von Kleinstbauern in den Schwellenländern garantieren. Der Konzern will andererseits die Kundenloyalität fördern und die Bedürfnisse einer neuen Generation kritischer Konsumenten aktiv aufgreifen.
Chancen wahrnehmen heisst aber auch ressourcen- und damit kosteneffizienter zu produzieren. Dank dem Fokus auf ressourceneffiziente Produktion hat Geberit den Wasserverbrauch seiner Produkte seit 2005 um über 50% gesenkt, und Unilever sparte allein 2011 rund 200 Mio. €. Aber auch Kunden profitieren: Mit Produkten und Technologien des Umweltportfolios von Siemens reduzierten sie 2011 ihren CO2-Ausstoss um über 317 Mio. t – dies entspricht rund der sechsfachen Menge des jährlichen CO2-Ausstosses der Schweiz -, was mit entsprechend tieferen Kosten dank geringerem Rohstoffverbrauch einherging. – Institutionelle Investoren interessieren sich nicht aus Altruismus vermehrt für nachhaltig aufgestellte Unternehmen, sondern hauptsächlich aufgrund langfristig besserer Renditeerwartungen. Eine neue Studie der Harvard Business School, welche die Kursentwicklung bei 180 US-Unternehmen über 18 Jahre untersuchte, bestätigt diese These. Das Portfolio von 90 Unternehmen, die schon früh Nachhaltigkeitsprogramme mit Fokus auf Umwelt- und soziale Fragen umsetzten, erzielte zwischen 1993 und 2011 eine um knapp 50% höhere Aktienkursrendite als das Portfolio der Vergleichsgruppe.
Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell ist also gut für Shareholder und Stakeholder. Sind zwar kleinere und mittlere Unternehmen oft Vorreiter in der Entwicklung nachhaltiger Technologien und Produkte, sind es nun die Grossen, die ihre Standards weltweit durchsetzen, indem sie diese ihren Zulieferern aufdrücken. Bei Siemens verpflichten sich inzwischen alle Zulieferer zu einem Code of Conduct bezüglich Nachhaltigkeits-Standards, bei Geberit sind es bereits 70%. Unilever bezieht bereits über ein Viertel der Rohwaren aus nachhaltiger Produktion. Für gewisse Zulieferer wird die Integration von Nachhaltigkeits-Kriterien in ihre Geschäftsprozesse schlicht überlebensnotwendig.
Es stellt sich die Frage, wie viele der tausend weltweit grössten Unternehmen mit ihren Zulieferketten Nachhaltigkeits-Standards umsetzen müssen, damit der «tipping point» für eine insgesamt nachhaltigere Weltwirtschaft erreicht ist.
Mit breitgefächerten Zielen und entsprechenden Strategien wird den gestiegenen Anforderungen der verschiedenen Anspruchsgruppen begegnet. Den Überblick lässt sich mit IT-gestützten Führungssystemen behalten.