Trotz gravierenden Mängeln sind laut einem Gutachten des Bundes bei der Führung der Staatsbetriebe nur punktuelle Korrekturen nötig. Politiker und Wirtschaftsverbände sind alarmiert.
Den Stein ins Rollen brachte der Skandal bei Postauto. Die Post-Tochter erschlich über Jahre hinweg mit fiktiven Buchungen Subventionen. Später kamen ein Cyberangriff auf die Ruag und ein Datendiebstahl bei der Swisscom hinzu. Vorigen Sommer rang sich die Landesregierung deshalb dazu durch, einen Bericht in Auftrag zu geben, der die Governance der Bundesbetriebe durch den Bund unter die Lupe nehmen sollte.
Economiesuisse ist ernüchtert
Seit vorletzter Woche liegt das Gutachten nun vor. Und tatsächlich werden gravierende Mängel festgehalten: Die Rede ist von unterdotierten Fachstellen aufseiten des Bundes, von ungelösten Interessenkonflikten und von sich widersprechenden Zielvorgaben. Trotzdem erkennt die vom Bund eingesetzte Expertengruppe keinen grundlegenden Handlungsbedarf. Die Steuerung und Aufsicht der Bundesbetriebe hätten sich grundsätzlich bewährt, heisst es im Bericht. Auf der Grundlage des Gutachtens schlägt der Bund punktuelle Anpassungen vor, so etwa transparentere Wahlverfahren für die Verwaltungsräte und eine Systematisierung der Gespräche zwischen Bund und Konzernführung.
Das positive Fazit der Gutachter überrascht Wirtschaftsverbände und Politiker – und lässt allenthalben die Frage aufkommen, wie ernsthaft das Bestreben des Bundesrats war, die Leitsätze für die Lenkung der Staatsbetriebe auf den Prüfstand zu stellen.
Economiesuisse bezeichnet die Studienergebnisse als «ernüchternd». Der Bericht werfe zwar viele legitime Fragen auf, sagt Kurt Lanz, Geschäftsleitungsmitglied beim Wirtschaftsdachverband. Er erscheine aber als politisch verwässert – sowohl inhaltlich als auch, was die Schlussfolgerungen des Bundesrats betreffe. Unter dem Strich sei die Überprüfung gar kontraproduktiv. «Die vorgeschlagenen Anpassungen lösen die Steuerungsprobleme beim Bund nicht, sondern zementieren diese auf Jahre hinaus.» Ähnlich kritisch fällt das Urteil des Gewerbeverbands aus: «Mit der Publikation des Berichts hat der Bundesrat eine Pflichtübung absolviert», sagt Vizedirektor Henrique Schneider. Dabei habe von Anfang an festgestanden, dass sich der Bundesrat mit dem Gutachten gute Noten erteilen werde.
Nachbesserungen gefordert
Doch von einer Umsetzung der international anerkannten Richtlinien ist die Schweiz weit entfernt. Das zeigt sich etwa in den Kompetenzen der Verwaltungsräte der Bundesbetriebe. Gemäss OECD müsste diese die Strategie zum Wohle des Unternehmens definieren und diese vom Eigentümer in ihren Eckpunkten absegnen lassen. In Tat und Wahrheit jedoch reden bei der Festlegung der Strategie der bundesnahen Milliardenkonzerne unzählige Verwaltungsstellen mit. Der Bericht zeigt dabei auf, dass dies häufig informell geschieht – und ohne dass diese Stellen und Personen eine unternehmerische Verantwortung besitzen.
Die Wirtschaftsverbände verlangen vom Bundesrat grundlegende Nachbesserungen. Als Orientierungshilfe dienen ihnen die OECD-Leitsätze zur Governance in staatseigenen Unternehmen: Kernelement ist es, dass staatsnahe Betriebe genau gleich geführt werden wie private Unternehmen. Konkret heisst das: Verrichtet ein Staatsbetrieb Service-public-Leistungen, soll er dafür separat entschädigt werden. Mischrechnungen sind nicht erlaubt. Zugleich werden Vorschriften über Führung, Kontrolle, Effizienz und Transparenz öffentlicher Unternehmen in einem allgemeingültigen Rahmengesetz zusammengefasst. Schliesslich empfiehlt die OECD, dass nur eine zentralisierte, professionelle Behörde aufseiten des Bundes für die staatlichen Unternehmen zuständig ist. Oder zumindest eine starke Koordinationsstelle eingerichtet wird.
Widersprüchliche Zielvorgaben
Hinzu kommt laut Bericht, dass die einzelnen Bundesstellen den Unternehmen widersprüchliche Ziele vorgäben. Für die Unternehmen sei es häufig nicht möglich, allen Vorgaben des Bundes gerecht zu werden. Das werde auf Unternehmensseite als frustrierend wahrgenommen. Verschärft werde die Problematik dadurch, dass vom Bund nicht vorgegeben werde, welches der Ziele Vorrang habe. Der Bundesrat lehne es ab, eine Priorisierung vorzunehmen.
Auch von der Schaffung einer zentralen Eignerbehörde, die für alle Bundesbetriebe zuständig ist, soll laut Bericht abgesehen werden – entgegen den Empfehlungen der OECD. Die einzelnen Departemente behalten damit die Kontrolle über die öffentlichen Unternehmen – auch wenn eine solche zentrale Bundesstelle mehr Ressourcen und Fachwissen auf sich vereinen und den Unternehmen eher ein ebenbürtiger Partner sein könnte.
Parlamentarier äussern derweil die Sorge, dass die jüngsten Skandale bei Post und Co. folgenlos bleiben könnten. Der Luzerner FDP-Nationalrat Albert Vitali fordert vom Bundesrat mehr Selbstkritik und will mit einem Vorstoss Anpassungen bei der Lenkung von Staatsbetrieben erzwingen. Und auch aus den Reihen der SP kommt Kritik. «Allein mit kosmetischen Eingriffen lässt sich nicht verhindern, dass es zu ähnlichen Fällen wie bei Postauto kommt», betont der Zürcher SP-Nationalrat Thomas Hardegger.
Quelle: David Vonplon; NZZ, 12.7.2019, S. 1
Die Staatsbetriebe Postauto und Ruag haben führungsmässig Nachholbedarf – die eingesetzte Expertengruppe sieht es aber anders, obschon beispielsweise die betrieblichen Ziele voller Konflikte seien. Dies muss nicht sein, denn es gibt Applikationen wie z.B. von Goalscape, die systemisch zu konsistenten Zielsetzungen anleiten. Voraussetzung ist freilich ein (politischer) Wille im Zielsetzungsprozess methodisch vorzugehen.
Die generische Goalscape Applikation eignet sich für öffentlich-rechtliche Betriebe wie auch für die Privatwirtschaft, wo auch nicht immer alles zum Besten bestellt ist. Im Gegensatz zu den Staatsbetrieben befinden sich private Unternehmen indes in Konkurrenzsituationen. Krasse Zielkonflikte verbieten sich daher von selbst, andernfalls Konkurrenzfähigkeit und Arbeitsplätze zumindest gefährdet sind. Demgegenüber geniessen Staatsbetriebe einen gewissen Schutz, der zu Nichtstun verleiten kann.
Zum Postauto-Skandal noch folgendes:
Die sog. “Verlustzuweisungen/Umbuchungen” haben während Jahren stattgefunden und wurden offensichtlich auch von den externen Prüfern (KPMG) nicht festgestellt!? Ist das noch zu glauben?? KPMG hat laut Zeitungsberichten CHF 4 mio. für dieses Mandat in Rechnung gebracht. Und KPMG war für diesen Betrag nicht in der Lage, eine ordentliche Prüfung durchzuführen? Wozu, muss man sich fragen, gibt es eine externe Prüfung?
Das riecht nach massiver Schummelei/”Säuhäfeli-Säuteckeli”, oder nach den 3 Affen…Ich höre nichts….
Man wollte sich dieses einträgliche Mandat natürlich auf lange Zeit sichern; da durfte man nicht zu genau hinsehen und die Strategie nicht hinterfragen.
Ein Grundproblem der externen Prüfung ist der inhärente Interessenskonflikt: Die Prüfer sollen bei ihrer Arbeit zwar kritisch sein. Aber sehr kritisch zu sein verbietet sich, da die Prüfer ihre Dienstleistung dem Auftraggeber in Rechnung stellen. Der gordische Knoten liesse sich nur mit unkonventionellen Lösungen durchschlagen, d.h. die Prüfung müsste aus der Privatwirtschaft herausgelöst werden.
Wer überwacht den Bundesrat (den obersten operativen Chef)?
Wohl die Vereinigte Bundesversammlung. Also müsste diese einen Betrieb aus der Privatwirtschaft beauftragen, eine solche Studie zu verfassen.
Wenn der Bundesrat eine Studie in eigener Sache in Auftrag gibt, ist die Vergabe sehr fragwürdig, da der Auftragnehmer den Auftraggeber nicht kritisieren möchte, um auch spätere Aufträge wieder zu erhalten.