Wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 18. November 2010 schreibt, sind Sparübungen nicht nur etwas für krisengeschüttelte Unternehmen, sondern werden gelegentlich auch in wachstumsorientierten Firmen nötig. Roche ist ein Beispiel dafür, und die am Mittwoch angekündigte Rosskur ist keineswegs die erste, der sich der Konzern unterzieht. Die geplanten Schritte zur Optimierung der Vertriebsorganisation und der Produktion und der damit verbundene Abbau von 4800 Stellen erinnern stark an das letzte umfassende Massnahmenpaket im Jahr 2001; damals hatte man die Belegschaft weltweit um 3000 Personen verringert und dabei ebenfalls die Bereiche Marketing und Produktion ins Visier genommen.
Allerdings war die Ausgangslage des Unternehmens zu Beginn des Jahrzehnts eine andere als heute. Roche befand sich in einer Phase der Stagnation, der Verfall der Patente einiger wichtiger und grosser Medikamente hatte zu Umsatzeinbussen geführt, und neue Produkte, die den Verlust hätten wettmachen können, waren nicht in Sicht. Dazu gesellte sich noch der vom lokalen Konkurrenten Novartis offen deklarierte Wunsch, Roche zu übernehmen. Der damalige Konzernchef, Franz Humer, lancierte sein Austerityprogramm aus einer äusserst defensiven Position heraus.
Ganz anders sein Nachfolger Severin Schwan: Zwar ist die Umsatzentwicklung der Pharmasparte derzeit nicht mehr so dynamisch wie noch vor Jahresfrist, und das gemächliche Tempo könnte noch einige Zeit andauern. Nachschubprobleme hat das Unternehmen aber keine; die Produkte-Pipeline ist gut gefüllt, und auch die Betriebsmarge, die 2001 noch auf 11% geschrumpft war, weist derzeit mit fast 36% ein mehr als nur zufriedenstellendes Niveau auf.
In einer solchen Lage sind Optimierungsmassnahmen, die zum Abbau von Stellen führen, nicht einfach zu kommunizieren. Die Gewerkschaften und Angestelltenverbände zeigen für die Massnahmen denn auch kein Verständnis. Sie fordern vom Roche-Management den Verzicht auf die Stellenkürzung, die «trotz phantastischen Gewinnen» vorgenommen werde, die Wahrnehmung unternehmerischer Verantwortung und eine Abkehr vom Streben nach «Renditemaximierung». Zu fragen ist allerdings, ob Sanierungsmassnahmen nur dann gerechtfertigt sind, wenn ein Betrieb in der Krise steckt. Ein gut gehendes Unternehmen, das in kluger Voraussicht Schritte unternimmt, um fit zu bleiben und Problemen vorzubeugen, gerät offenbar unweigerlich in einen Erklärungsnotstand. Man wünschte sich, die Gewerkschaften hätten aus der jüngsten Wirtschaftskrise gelernt.
Auf “Stellenabbau” sind Gewerkschaften i.d.R. nicht gut zu sprechen, obschon sie eigentlich daran interessiert sein sollten, dass ein Arbeitgeber nachhaltig erfolgreich bleibt.