Wie die NZZ am Sonntag in ihrer Ausgabe vom 28. November 2010 schreibt, muss Verteidigungsminister Ueli Maurer dem Parlament demnächst eine weitere Hiobsbotschaft verkünden. Er braucht einen Zusatzkredit von 24 Millionen Franken, um die 2008 von National- und Ständerat mit dem Rüstungsprogramm gutgeheissene Anschaffung von zwölf ABC-Aufklärungsfahrzeugen zu retten.
Auf der Einkaufsliste von Maurers Vorgänger Samuel Schmid waren die gepanzerten Spezialgefährte – sie dienen dazu, in verseuchtem Gebiet durch Echtzeitmessungen radioaktive, biologische und chemische Stoffe festzustellen – mit 70 Millionen veranschlagt. Nun kommt die Beschaffung aber gemäss Insidern auf 94 Millionen zu stehen; der Preis pro Fahrzeug – Entwicklungs- und Testkosten inklusive – steigt von knapp 6 auf fast 8 Millionen.
Maurers Verteidigungsdepartement (VBS) will zur Höhe des zusätzlich benötigten Betrags keine Angaben machen. Sprecher Martin Bühler bestätigt aber grössere Probleme im Zusammenhang mit diesem Rüstungsgeschäft: Nach der Auslieferung des ersten Gefährts habe sich bei Tests gezeigt, «dass sowohl beim Fahrzeug als auch bei Sensorik- und Auswertungssystemen Nachbesserungen nötig sind». Dies sei auch darauf zurückzuführen, dass aufgrund des Technologiewandels heute bedeutend modernere und verlässlichere Geräte zur Analyse von Kampfstoffen verfügbar seien.
«Unzureichende Beurteilung»
Bühler macht aber nicht nur äussere Umstände für das Debakel verantwortlich, er räumt auch interne Fehler ein: «Die Risikobeurteilung des Projektteams im Bereich der Sensorik war aus heutiger Sicht und mit den gemachten Erfahrungen unzureichend und zu optimistisch.» Neue, leistungsfähigere Geräte hätten das System nicht nur wesentlich verteuert, sondern auch zu Verzögerungen geführt. Statt wie geplant im laufenden Jahr beginnt die Inbetriebnahme erst viel später. «Mit dem heutigen Stand gehen wir davon aus, dass das letzte Fahrzeug 2015 ausgeliefert wird», sagt Bühler.
Betraut mit der Projektverantwortung ist die Firma Thales aus Zürich, das Thurgauer Unternehmen Mowag liefert die gepanzerten Fahrzeuge des Typs Piranha. «Bei der Typenwahl ging es im Jahr 2006 auch darum, mit zwei Schweizer Betrieben hierzulande strategisches Know-how aufzubauen und zu erhalten», sagt Bühler.
Forcierter Heimatschutz?
Kritiker monieren, dass in diesem hochkomplexen Bereich eine Lösung mit uneinheitlichen Komponenten nicht funktionieren könne und die entstandenen Mehrkosten und Verzögerungen eine logische Folge davon seien. Statt auf ein System zu setzen, das sich im Ausland bewähre, sei aus falsch verstandenem Heimatschutz eine teure und nicht erprobte eigene Konstruktion forciert worden. Dabei biete etwa die deutsche Firma Rheinmetall Spürpanzer, die in vielen Ländern erfolgreich eingesetzt würden.
VBS-Sprecher Bühler widerspricht dieser Darstellung, denn zum Zeitpunkt der Evaluation habe es kein vergleichbares Angebot gegeben, weshalb die ABC-Aufklärungsfahrzeuge nicht «ab Stange gekauft werden konnten». Die damals geforderten militärischen Anforderungen seien von keinem im Ausland verwendeten System abgedeckt worden.
Das jüngste Beispiel der Schweizer Armee stellt ihrer Beschaffungspolitik und dem Projekt Management ein schlechtes Zeugnis aus.