Verwenden Chirurgen beim Operieren Checklisten, reduziert sich die Komplikationsrate – und zwar in armen und reichen Ländern gleichermassen, wie eine Studie der WHO zeigt.
Chirurgische Eingriffe verursachen offenbar seltener Zwischenfälle, wenn sich das Operationsteam mit einer Checkliste vergewissert, dass es über alle relevanten Informationen verfügt. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) finanzierte Studie, an der acht Krankenhäuser aus ebenso vielen Ländern – Kanada, Indien, Jordanien, Neuseeland, den Philippinen, Tansania, England und den USA – mitgewirkt haben.
Die Spitäler waren angehalten, zunächst rund 500 Operationen wie gewohnt vorzunehmen. Im zweiten Teil der Untersuchung erhielten sie dann die Vorgabe, bei weiteren 500 Eingriffen die Checkliste der WHO zu verwenden. Die darin aufgeführten 19 Sicherheitsfragen sollen unter anderem sicherstellen, dass die richtige Operation beim richtigen Patienten erfolgt, alle notwendigen diagnostischen und therapeutischen Massnahmen Berücksichtigung finden und vorhersehbare Komplikationen wie Allergien bedacht werden. Empfohlen wird zudem, nach dem Eingriff das Operationsmaterial nachzuzählen. Denn es kommt immer wieder vor, dass Werkzeuge oder Tücher im Körper des Patienten zurückbleiben, wo sie schwere Infektionen hervorrufen können.
Wie der amerikanische Chirurg Atul Gawande vom Brigham and Women’s Hospital in Boston und weitere Wissenschafter des Projekts «Eine sichere Chirurgie rettet Leben» berichten, führte die Anwendung der Checkliste zu einem deutlichen Zugewinn an Sicherheit. So nahm die Häufigkeit tödlicher Zwischenfälle dadurch von 1,5 auf 0,9 Prozent ab, jene weniger folgenschwerer Komplikationen von 11 auf 7 Prozent. Von den strengeren Sicherheitsvorkehrungen profitierten zudem die Patienten aller Länder gleichermassen, unabhängig vom Wohlstand der betreffenden Nation. Welche Art von Verbesserungen im Einzelnen den Rückgang der Komplikationsraten begünstigte, geht aus der Studie allerdings nicht hervor. Die Forscher halten es aber für wahrscheinlich, dass eine Vielzahl von Faktoren zu den besseren Ergebnissen beigetragen haben dürften.
Wie sie weiter betonen, setzt die Einführung der Checkliste einige grundsätzliche Veränderungen voraus. Dazu zähle etwa, vor dem ersten Hautschnitt kurz innezuhalten und wichtige Punkte – etwa die Identität des Patienten und die Art des Eingriffs – ein letztes Mal zu überprüfen. Solche Denkpausen können die Häufigkeit von Irrtümern nachhaltig verringern. Dennoch sind viele Chirurgen überzeugt, darauf verzichten zu können, wie Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, aus Erfahrung weiss.
In der Schweiz hat die hiesige Chirurgen-Gesellschaft gemeinsam mit der Stiftung für Patientensicherheit im vergangenen Jahr eine Checkliste entwickelt, die Verwechslungen bei Operationen verhindern soll. Darauf verweist im Gespräch der Anästhesist Sven Ständer vom Spital Männedorf, der sich schon seit Jahren für mehr Sicherheit in der Medizin einsetzt. Viele Klinken verwendeten ausserdem eigene Kontrollverfahren, um das Risiko von vermeidbaren Fehlern zu verringern. Standardisierte, für alle Chirurgen verbindliche Checklisten gibt es bis jetzt allerdings noch nicht.
Quelle:
Neue Zürcher Zeitung, 21.1.2009
Wie eine Untersuchung zeigt, gibt es wahrlich keinen Grund, auf Checklisten zu verzichten. In gewissen Bereichen, wie z.B. in der Betriebswirtschaft, hat sich die Einsicht leider noch nicht durchgesetzt.