Die zuständige Kommission des Ständerats will im Namen der Gleichstellung einen Zwang zu Lohnanalysen bei Firmen ab 100 Mitarbeitern, wie die NZZ in ihrer Ausgabe vom 14. Februar 2018 schreibt.
Am Schweizer Arbeitsmarkt bahnt sich ein weiterer Eingriff an. Der Vorschlag des Bundesrats für einen Zwang der Firmen zu Lohnanalysen im Namen der Gleichstellung der Geschlechter hat Chancen im Parlament. Die Bildungskommission des Ständerats (WBK), die auch für Gleichstellungsfragen zuständig ist, hat am Dienstag mit 7 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen einer Vorlage mit Zwangscharakter zugestimmt. Im Vergleich zum Vorschlag des Bundesrats hat die WBK allerdings einige Punkte abgeschwächt, wenn auch zum Teil nur mit knapper Mehrheit. So soll der Zwang zu Lohnanalysen für Firmen ab 100 Mitarbeitern statt bereits ab 50 Mitarbeitern gelten. Damit wären laut WBK knapp 1% aller Unternehmen und 45% aller Arbeitnehmer erfasst.
Zeigt eine Analyse, dass die Lohngleichheit eingehalten ist, müssten betroffene Firmen laut Beschluss der WBK in Zukunft keine weiteren Analysen mehr durchführen. Der Bundesrat hatte generell eine Analysepflicht alle vier Jahre vorgeschlagen. Zudem will die Kommission im Unterschied zum Bundesrat die Regeln zur Lohnanalyse auf 12 Jahre beschränken; viele Beispiele haben allerdings gezeigt, dass die Politik keine Hemmungen hat, wenn es um die Verlängerung von «vorübergehenden» Regeln geht. Im Vergleich zum Entwurf des Bundesrats beschloss die Kommission auch noch eine Verschärfung: Der Zwang zu Lohnanalysen soll nicht nur für private Unternehmen gelten, sondern auch für den öffentlichen Sektor.
Erhöhte Chancen
Die genannten Lockerungen im Vergleich zum Entwurf des Bundesrats haben die Chancen der Vorlage im Parlament erhöht. Im Ständerat, wo die Linke zusammen mit der CVP die Mehrheit hat, scheinen die Chancen ziemlich gut zu stehen. Schwerer dürfte es die geplante Regulierung im Nationalrat haben, wo die grundsätzlich skeptischen Parteien SVP und FDP mit zugewandten Orten eine knappe Mehrheit haben. Allerdings dürfte die FDP kaum geschlossen gegen den geplanten Eingriff stimmen; diverse Frauen der Partei und auch einige Männer könnten der Vorlage Sympathien entgegenbringen. Anderseits dürfte aber die CVP kaum geschlossen für die geplante Vorlage stimmen. Unter dem Strich erscheint die Ausgangslage offen.
Die Vorlage bringt keine harte Lohnpolizei mit direkten Sanktionen; Justizministerin Simonetta Sommaruga war mit dieser härteren Linie schon im Bundesrat aufgelaufen. Die Firmen sollen aber einem Rechtfertigungszwang gegenüber Mitarbeitern und im Fall börsenkotierter Betriebe auch gegenüber der Öffentlichkeit unterliegen.
Frauen verdienten 2014 in der Gesamtwirtschaft im Mittel etwa 18% weniger als Männer; etwa zwei Fünftel dieser Differenz (rund 7000 Fr.) sind laut einer statistischen Analyse im Auftrag des Bundes nicht durch klar messbare Faktoren wie Ausbildung, Branche und berufliche Stellung zu erklären. Im öffentlichen Sektor zeigte sich dabei kein grundlegend anderes Bild als in der Privatwirtschaft. Justizministerin Sommaruga setzte die «unerklärten» Lohndifferenzen salopp mit Geschlechterdiskriminierung gleich. Gesichert ist das nicht. Gut möglich ist zum Beispiel, dass ein erheblicher Teil der Differenzen durch das Verhalten statt durch das Geschlecht zu erklären ist – etwa weil Männer wegen ihres tendenziell stärkeren Hangs zur Selbstüberschätzung aggressiver sind bei Lohnverhandlungen.
Die Sozialpartner sind wie in manch anderen Fragen auch hier gespalten: Die Gewerkschaften wollen noch wesentlich schärfere Eingriffe mit direkten Sanktionen, während der Arbeitgeberverband grundsätzlich gegen gesetzlich verordnete Lohnkontrollen eintritt.
Die AHV im Hintergrund
Kein Diskussionsthema war am Dienstag in der Ständeratskommission laut einem Beteiligten die Idee einer möglichen Verknüpfung der Lohngleichstellungsfrage mit der geplanten Erhöhung des Rentenalters der Frauen von 64 auf 65. Der Waadtländer FDP-Nationalrat Olivier Feller hatte die Idee eines solchen «Päcklis» vergangenen Dezember ins Spiel gebracht, ohne hier allerdings den Rückhalt seiner Partei zu haben. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Gedanke nochmals aufs Tapet kommt, wenn bei der Neuauflage der Rentenreform Blockaden vorherrschen.
Inhaltlich erschiene die Verknüpfung schlecht begründet – und dies nicht nur, weil die Frauen dank ihrer längeren Lebenserwartung auch mit Rentenalter 65 noch privilegiert wären. Mit der gleichen Logik könnte man noch vieles andere mit der AHV verknüpfen. Man könnte zum Beispiel ein tieferes Rentenalter für Männer fordern, weil diese in Sachen Militärdienst diskriminiert sind. Man könnte auch ein tieferes Rentenalter für Ausländer fordern, da diese im Mittel deutlich weniger verdienen als Schweizer. Ältere statistische Analysen hatten dabei ein ähnliches Bild gezeigt wie in der Geschlechterfrage: Ein erheblicher Teil der Differenz ist nicht durch gut messbare Faktoren zu erklären. Der nicht erklärbare Teil illustriert möglicherweise Diskriminierung, doch sicher ist das nicht.
Die amtliche Bürokratie ist kaum zu bremsen. Zudem: c’est le provisoire qui dure. Aber wie steht es in der Privatwirtschaft, z.B. in Ihrer Organisation? Ist die Bürokratie ausgemerzt? Sind die Haupt- und Supportprozesse bereits hinreichend verschlankt?