Wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 8. Mai 2007 schreibt, bleibt für die Zürcher Kantonalbank (ZKB) die Situation heikel – auch nach dem Rücktritt ihres operativen Chefs Hans Vögeli. Denn der Fall Sulzer zeigt immer deutlicher, dass die Bank zwar eine Fülle von internen Vorgaben für das Handelsgeschäft aufgestellt, gleichzeitig aber kaum etwas unternommen hat, um deren Einhaltung sicherzustellen. Reglemente wie die erst vor zwei Jahren erlassene, von der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) genehmigte Kompetenzordnung für das Kapitalmarktgeschäft blieben gleichsam toter Buchstabe. Selbst mehrere Nachfragen der aufgeschreckten Aufsichtsbehörde sollen, wie man hört, ohne grosse Wirkung auf die zu lasche Risikokontrolle geblieben sein.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die vom Bankgesetz festgelegte Voraussetzung für die Bewilligung einer Bank, nämlich die Gewährleistung einer ordnungsgemässen Geschäftsführung, immer noch uneingeschränkt gegeben ist. Die wiederholte Feststellung, es seien im Fall Sulzer keine gesetzlichen Bestimmungen verletzt worden, genügt nicht, um diese Frage vorbehaltlos zu bejahen, denn der EBK genügt legalistisches Denken allein nicht. Wer wie die ZKB den strategischen Entscheid fällt, in grossem Stil in das Derivategeschäft einzusteigen, muss dafür sorgen, dass eine unabhängige, funktionsfähige Alarm- und Kontrollinfrastruktur in Stellung gebracht wird. Eine solche Infrastruktur muss in der Lage sein, Risiken – und zwar auch solche, die der Reputation abträglich sind – rasch zu identifizieren, zu beurteilen und umgehend korrigierend einzugreifen, wenn sie nicht mit der Geschäftspolitik der Bank vereinbar sind oder gegen einen Entscheid der Geschäftsleitung verstossen. Oder konkret: Im Fall Sulzer hat die Handelseinheit zwar gegen eine interne Weisung Vögelis verstossen und entgegen den Vorgaben Optionen auf Sulzer-Titel emittiert. Vom Erlass der Weisung bis zur Sanktion für deren Missachtung bzw. bis zur Entlassung des zuständigen Generaldirektors, Hans Fischer, gingen gut fünf Monate ins Land.
Diese überlange Reaktionszeit zeugt ebenso von einer allzu grossen Nonchalance im Umgang mit Risiken wie der Umstand, dass sich Vögeli und Bankratspräsident Urs Oberholzer vor den Medien mit dem Argument zu rechtfertigen versuchten, sie hätten nichts von den Verfehlungen erfahren; innerhalb der Bankleitung seien sie nur Fischer bekannt gewesen. Diese Ausreden fallen auf die beiden ZKB-Exponenten zurück, denn gerade ihre Aufgabe wäre es gewesen, die Bank so zu organisieren, dass ihnen diese Verstösse nicht hätten entgehen können – genau eine solche Organisation setzt das Bankgesetz voraus.
Eines ist klar: Sollten Journalisten und Regulatoren, die sich der ZKB und des Falls Sulzer angenommen haben, auf neue Ungereimtheiten stossen, muss die Staatsbank mit weiterem Ungemach rechnen. Die Feststellung Oberholzers, der Köpfe seien nun genug gerollt, könnte sich dann als Wunschtraum entpuppen.
Unwissenheit und Nonchalance im Umgang mit Geschäftsrisiken schützen vor Strafe nicht. Unternehmen oder Organisationen sind so zu führen, dass Verstösse unterbunden oder zumindest rechtzeitig entdeckt werden.