Wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 28. Juli 2008 schreibt, steht der Markt für Occasionen nicht im Ruf besonderer Redlichkeit. Das gilt vor allem in Zentral- und Osteuropa. Allzu oft gelangen dort gestohlene Fahrzeuge auf den Markt, und nicht selten wird vor dem Verkauf der Kilometerzähler manipuliert, so dass der Kunde über die Vergangenheit der Autos nur rätseln kann. Anthony James Denny, CEO von AAA Auto, dem führenden Gebrauchtwagen-Anbieter Zentraleuropas, kennt das Image seiner Branche – und er sieht darin eine Geschäftschance. So offeriert das seit Oktober 2007 börsenkotierte Unternehmen mit Sitz in Prag den Kunden eine lebenslange Garantie, dass nicht eines Tages ein anderer Eigentümer, die Polizei oder die Steuerbehörde Besitzansprüche an das Auto geltend macht. Zudem werden keine Wagen im Namen Dritter verkauft, sondern nur Fahrzeuge, die man nach eingehender Prüfung selber erworben hat. Alles Massnahmen, die etwas Licht in die Branche bringen sollen.
Der 46-jährige Denny, ein Vegetarier mit Universitätsabschluss in Gartenbau, fügt sich ebenfalls nicht in das Klischee des Gebrauchtwagenhändlers. Der Vater von drei Kindern, der als sein Hobby das Studium wissenschaftlicher Magazine angibt, spricht leise, ja fast im Flüsterton, und er würzt seine mit Bedacht gewählten Worte mit feiner Ironie. Nur einmal während des Gesprächs lacht er laut auf, als er vor sich das Aufnahmegerät des Journalisten entdeckt – einen klobigen Kassetten-Walkman, der zugegebenermassen nicht mehr ganz dem neusten Stand der Aufnahmetechnik entspricht. Da er dem Alten aber grundsätzlich zugeneigt ist – seien es Oldtimer-Autos oder Weine, von denen er, wie er sagt, in seinem Keller über 3000 Flaschen gelagert hat -, bietet ihm das antiquarische Gerät sogleich Anlass für einen witzigen Exkurs über den verschrobenen Charme verblichener Technologien.
Bis zum Abschluss seines Studiums lebte der Sohn tschechischer Emigranten in Australien. Sein Vater war 1948 vor den Kommunisten geflohen und nach Sydney ausgewandert, wo er sich weiterhin als Opponent der Prager Machthaber engagierte. Eine Europareise nach dem Studium führte Denny 1985 erstmals in die Heimat seiner Familie. Wegen der politischen Arbeit des Vaters war es ihm aber verwehrt, in der damaligen Tschechoslowakei Verwandte zu besuchen. Die einzigen Leute, die sich mit ihm abgegeben hätten, seien Prostituierte oder Geldwechsler gewesen. “Es war der schrecklichste Ort, den ich je gesehen hatte – und ich schwor mir, nie wieder hierher zu kommen.”
Dass er den Vorsatz brechen sollte, ist einem zweijährigen Aufenthalt in Kalifornien zuzuschreiben. Als Exporteur von Fahrzeugen fiel ihm dort Anfang der 1990er Jahre auf, wie immer mehr Anfragen aus den ehemaligen Ostblockstaaten eintrafen. Denny witterte ein brachliegendes Geschäft, übersiedelte nach Prag und eröffnete 1992 sein erstes Gebrauchtwagen-Zentrum. Das Ein-Mann-Unternehmen wuchs stetig, und Ende 2007 zählte man 3800 Angestellte und 45 Niederlassungen in Tschechien, der Slowakei, Rumänien, Ungarn und Polen. Mit knapp 80 000 verkauften Fahrzeugen erwirtschaftete AAA Auto – ein Name, der Spitzenplacierungen in den Telefonbüchern garantiert – vergangenes Jahr einen Umsatz von 470 Mio. Euro.
Das 2007 mit Blick auf das IPO etwas über Gebühr forcierte Wachstum liess die Kosten aber explodieren und führte zusammen mit der sich verdüsternden Wirtschaftslage zu einem Jahresverlust. AAA Auto hat sich daher ein einschneidendes Sanierungsprogramm und den Rückzug aus dem polnischen Markt auferlegt. An der für 2009 geplanten Expansion nach Russland wird indes festgehalten. Denny verheimlicht nicht, dass ihm die neue Rolle als CEO eines nun börsenkotierten Unternehmens nicht immer leicht fällt; so zähle die Beschäftigung mit den Analytikern nicht zu seinen Leidenschaften. Weiterhin hält er in seiner Arbeit an bisherigen Prinzipien fest, etwa am Grundsatz, nie eine Person mit Erfahrung im Gebrauchtwagengeschäft einzustellen, denn diese Leute seien meist schon allzu verdorben. Wie mancher Konsument traut auch Denny den Gebrauchtwagenhändlern nicht über den Weg.
Eine Success Story zeigt auf eindrückliche Weise auf, dass (Branchen-)Erfahrung mitunter nachteilig sein kann.