Wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 4. Oktober 2011 schreibt, wäre der Entscheid vor Jahren schon gefallen, es hätte niemanden gewundert. Seit der Zürcher Stadtrat im Jahr 2006 die erste Kredittranche für ein neues IT-System im Sozialdepartement bewilligte, machte das Projekt Famoz – später Elusa genannt – nichts als Ärger und verschlang Millionen. Nun hat Sozialvorsteher Martin Waser (sp.) einen Notstopp befohlen. Wie gestern mitgeteilt wurde, wird das Projekt nicht mehr weitergeführt. Die Kosten des teuren Reinfalls belaufen sich auf etwa 25 Millionen Franken.
Ein Scherbenhaufen
Selten war sich der Zürcher Gemeinderat so einig wie bei der Qualifizierung des Fallmanagement-Modells Zürich (Famoz). Das neue System wurde 2003 im Sozialdepartement in Auftrag gegeben und hätte die Abläufe eigentlich vereinfachen sollen. Heute nennt sich das Projekt Elusa (Elektronisch unterstützte soziale Arbeit). Seinen Hauptzweck, die Steuerung von Auszahlungen in verschiedensten Bereichen von der Sozialhilfe bis zum Alimentenwesen, erfüllt es aber bis heute nicht. Im Gemeinderat sprach man denn auch einhellig von einem «Debakel» und einem «Scherbenhaufen». Zusammengefasst liest sich die Chronologie des vorprogrammierten Scheiterns so:
2003 werden erste Vorstudien gemacht. 2006 bewilligt der Stadtrat 11,4 Millionen Franken für das Projekt. Nur ein Jahr später muss er 580 000 Franken zuschiessen. 2008 kommt es zu Problemen bei der Auszahlung von Sozialhilfebeiträgen. Nun platzt den bürgerlichen Parteien der Kragen: 2009 erkundigen sich SVP, FDP und CVP in einem parlamentarischen Vorstoss, wer für den Schlamassel verantwortlich sei, und fordern einen Untersuchungsbericht. Stadtrat Martin Waser veranlasst im März eine juristische Untersuchung der Verantwortlichkeiten. Das Gutachten kommt zwar zum Schluss, dass Melde-, Kontroll- und Aufsichtspflichten verletzt wurden. Eine klare Zuweisung der Verantwortung sei jedoch nicht möglich. Der Stadtrat will das Projekt dennoch nicht fallenlassen und spricht weitere 9,8 Millionen Franken. 2010 stoppt Martin Waser das Projekt ein erstes Mal und ordnet eine Neukonzipierung an. Famoz heisst nun Elusa. Im Sommer 2011 werden nochmals 7,5 Millionen Franken bewilligt. Nachdem die ursprünglich mit der Entwicklung beauftragte Informatikfirma von einem anderen Unternehmen übernommen worden war, zeigte sich aber, dass auch die mehrfach nachgebesserte Offerte nicht eingehalten werden kann. Martin Waser zieht endgültig den Schlussstrich.
Unkritische Aufsicht
Heute funktioniert das System in Teilbereichen. Die Parteien reagieren deshalb etwas unentschlossen auf die Beendigung des Projekts. Zum einen sind sie froh, dass die scheinbar unendliche Geschichte doch noch zu einem Ende kam, zum andern bedauern Exponenten wie etwa SVP-Fraktionschef Mauro Tuena, dass der Stopp nicht früher kam.
Wer für das Debakel verantwortlich ist, wird sich wohl nie mehr klären. Der heute zuständige Stadtrat Martin Waser erbte das Projekt von seiner Vorgängerin Monika Stocker. Laut dem Untersuchungsbericht war die Stadträtin von ihren Mitarbeitern aber offenbar nie richtig informiert worden. Allerdings schien es im Sozialdepartement auch an klaren Strukturen zu fehlen: In seinem Bericht kritisierte der Stadtrat unmissverständlich eine «unheilige Allianz von überoptimistischer Projektleitung und unkritischer Aufsicht».
Das IT-Debakel der Stadt Zürich veranschaulicht, dass elementare Grundvoraussetzungen an die Projektführung nicht erfüllt waren und Vorsichtsgebote, die insbesondere bei IT-Projekten angebracht sind, krass missachtet wurden.