Wie die neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 17. Juni 2013 schreibt, ist die Einweihungsfeier für den Erweiterungsbau des internationalen Logistik-Hubs von Deutsche Post DHL in Cincinnati im Gliedstaat Ohio am Donnerstag eine tolle Show. Eine DHL-Mitarbeiterin schmettert die Nationalhymne, der charmante Gouverneur des angrenzenden Gliedstaats Kentucky ist voll des Lobes, und ein Geistlicher bittet um himmlischen Beistand. Zwischendurch versetzt eine Frachtmaschine vom Typ Boeing 767 die Festgemeinde ins Staunen, als sie aus den tief hängenden Wolken auftaucht und über die Zuschauer hinwegdonnert.
Frank Appel ist zufrieden. Der aus der Bonner Konzernzentrale angereiste Chef von Deutsche Post DHL (Börsenwert 23,3 Mrd. €, Umsatz 55,5 Mrd. €) hat das Geschäft mit dem internationalen Expressversand zum Eckpfeiler der Strategie gemacht. Ausser in den USA ist die ehemalige deutsche Behörde schon heute Marktführer in dem stark wachsenden Bereich. Der im Mittleren Westen der USA gelegene Hub ist einer der Eckpfeiler der Logistik-Infrastruktur für die internationale Express-Beförderung. Jede Nacht fliegen hier Cargo-Maschinen aus aller Herren Ländern rund 150 000 Pakete ein, die dann im Hub sortiert und noch vor dem Morgengrauen per Flugzeug über den Globus verteilt werden.
Der Festakt hat für den Konzern aber auch eine symbolische Bedeutung. Er kommt zehn Jahre nachdem Deutsche Post DHL in der USA-Strategie einen schweren Fehler begangen hatte. Appels Vorgänger, Klaus Zumwinkel, hatte im Jahr 2003 mit dem Kauf der Logistikfirma Airborne in den von UPS und FedEx dominierten Markt für den landesinternen Expressdienst vorstossen wollen. Das misslang; die Servicequalität stimmte einfach nicht. Appel sass damals schon im Vorstand; Zumwinkel hatte den früheren McKinsey-Partner nach Bonn geholt.
Nachdem Appel 2008 zum Chef aufgestiegen war, liess er die auf den US-Binnenmarkt ausgerichteten Aktivitäten einstellen. Er bezeichnet die Entscheidung im Gespräch als seine bisher wichtigste und schwierigste. Knapp 10 000 Menschen verloren in den USA ihren Job, der Konzern Milliarden Dollar. Man könne mit niedrigen Preisen keinen nachhaltigen Marktanteil gewinnen, beschreibt Appel heute die Lehre aus dem Desaster. Er redet denn auch im Interview nie über den Auslastungsgrad – was angesichts des Fixkosten-getriebenen Logistikgeschäfts nahe läge – und auch nicht über Kostensenkungen, die ihm als ehemaligem McKinsey-Mann wohl in den Genen stecken. Der 51-jährige Manager stellt vielmehr die Kundenorientierung und die Dienstleistungsqualität in den Vordergrund. Diesen Kulturwandel im Konzern abzuschliessen, sei sein Ziel, erklärt der sich im Gespräch zugänglich zeigende Appel. Seine wesentliche Aufgabe sei es, den Vorstand und die Ebenen darunter mit den richtigen Leuten zu besetzen und mit den Mitarbeitern über die Unternehmensziele zu reden. Appel selbst nennt sich denn auch Chief Energy Officer, der das Energieniveau im Konzern hochzuhalten habe.
Wenn es um Kommunikation geht, betritt Appel für ihn schwieriges Terrain. Als der Chemiker 2008 die Konzernführung übernahm, wirkte er oft arrogant. Es war wohl auch ein Schutzmechanismus des damals erst 46-jährigen Managers. Generell liegt das analytische Denken dem Naturwissenschafter (Promotion an der ETH Zürich im Bereich Neurobiologie) näher. Er habe aber in den letzten Jahren gelernt, dass nicht nur der Kopf, sondern auch der Bauch und das Herz Führungsqualitäten wie Einfühlungsvermögen bedingten. Das werde gerade in einem zunehmend komplexeren und globaleren Umfeld immer wichtiger.
So ist denn auch der Einweihungstag in Cincinnati ein guter Tag für Frank Appel. Er weiss, dass solche Anlässe helfen, alte Wunden zu heilen und die Belegschaft zu motivieren. Und als die stimmkräftige Mitarbeiterin zum Schluss nochmals zum Mikrofon greift und, von einer begeisterten Kollegenschaft begleitet, die DHL-Express-Unternehmens-Hymne «Ain’t no mountain high enough» singt, da weiss der hochgewachsene Norddeutsche, was von ihm erwartet wird: Er steht auf und klatscht mit, so gut es eben geht.
Ein praktischer Anschauungsunterricht zum Thema “Kundenorientierung” untermauert das Credo der Prozessorientierung und Kundenzufriedenheit.