Der In-Tempo-Doppelturm in Benidorm an der Costa Blanca hätte Spaniens verheissungsvolle Zukunft symbolisieren sollen. Man hoffte mit dem 2006 vorgestellten Modell «Residencial in Tempo» in die Geschichtsbücher einzugehen: Der rund 200 Meter hohe Bau mit 47 Stockwerken war als höchstes Wohngebäude der Europäischen Union geplant.
Aus der Traum. Das bis heute unfertige Gebäude, welches schon 2009 hätte bezogen werden sollen, ist zur Metapher für die Immobilienkrise des Landes geworden, die kurz nach Baubeginn anfing. Wie diverse Medien am Montag berichteten, wurde kürzlich die Spitze des Eisbergs an Fehlplanungen bekannt. Es ging vergessen, einen Liftschacht, der vom 20. in den 47. Stock geführt hätte, einzubauen. Diesem «Fanal der architektonischen Inkompetenz», wie spanische Medien schreiben, ging eine Kette von Pannen voraus. Diese machte die Zeitung «El País» öffentlich, die kürzlich interne Berichte lesen konnte. Die Bank Caixa Galicia finanzierte demnach den Bau, doch 2009 geriet sie in Schwierigkeiten. Wie «El País» schreibt, mussten die Bauarbeiter bis zum 24. Stockwerk ohne Lastenaufzug arbeiten. Vor zwei Jahren stürzte offenbar ein Lastenabzug ab; 13 Arbeiter sollen sich zum Teil schwer verletzt haben. Rettungskräfte konnten nicht zum Unglücksort vordringen, weil man wohl aus Kostengründen die Zufahrt eingespart hatte.
Nun zur jüngsten schlechten Nachricht: Der besagte Liftschacht ging bei der Planung vergessen, wie laut «El País» auf der Modellzeichnung ersichtlich ist. Das Gebäude war offenbar zunächst nur mit 20 Etagen konzipiert. Doch der Auftraggeber verlangte nach mehr Mietern – der Architekt erhöhte das Gebäude, ohne an den Liftschacht zu denken. Es gibt zwar Personenlifte, jedoch reichen diese nur bis zur 20. Etage. Die oberen 27 Stockwerke seien nur über Treppen zu erreichen, heisst es. Laut «Daily Mail» konnten die Investoren der In-Tempo-Türme bisher nur 35 Prozent der Wohnungen verkaufen, die restlichen sollen weit unter den einstigen Preisen angeboten werden.
Wie das Liftproblem gelöst wird, ist nicht bekannt. Der «Stern» schlägt einen Aussenlift vor. Doch ob er den Architekten in den Kram passt? Die Frage erübrigt sich. Die leitenden Architekten des Projekts haben im Mai ihre Ämter niedergelegt. Sie wollen laut «El País» lieber schweigen.
Quelle: Katja Baigger 2013: Nur dumm, dass der Lift vergessen ging. Neue Zürcher Zeitung 234 (13.8.13): 18
Schnellschüsse bergen erhöhte Risiken. Gefordert sind sichere Prozesse, die dem Gebot von “Checks and Balances” folgen.