Richtig engagiert wirkt die sonst eher zurückhaltende, elegante Amerikanerin immer dann, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Mit unzähligen US- und europäischen Konzernen hat Tamara («Tammy») J. Erickson in ihrer über dreissigjährigen Karriere zusammengearbeitet. Bei Allergan und Parkin Elmer sass die als Professorin für Organisational Behaviour an der London Business School lehrende Expertin und Beraterin sogar im Verwaltungsrat. Ihre Teams führen grossangelegte Befragungen durch und werten Daten aus, immer auf den Spuren des Erfolgs. Was macht den Unterschied aus zwischen einer Firma, die reüssiert, und einer, die scheitert? Wie verändern sich die Einstellungen und Ansprüche der Generationen gegenüber ihrer Arbeit? Was bedeutet das und der technologische Wandel für die Aufgabe, eine Firma zum Erfolg zu führen? Die Meinung der mehrfach ausgezeichneten Expertin und Buchautorin ist gefragt. Eine Einladung des Global Drucker Forum und der Schweizerischen Management-Gesellschaft hat sie kürzlich nach Zürich gebracht.
Tammy Erickson stammt aus Michigan in den USA, wo sie 1954 geboren wurde. Sie studierte Biowissenschaften und liebt Tiere. Ihr Mann (ein Doktor der Chemie) bewirtschaftet in den USA eine Farm, auf der sie gerne reiten geht. Nach ihrem ersten Studium machte sie einen Master in Business-Administration in Harvard. Fasziniert von der Welt der Forscher und jener der Manager, wurde sie Beraterin. Zu Beginn beschäftigte sie die Frage, wie grosse Forschungsanstrengungen in profitables Business umgemünzt werden können. Entscheidend war offensichtlich, mit einer systematischen Analyse rechtzeitig zu erkennen, welche Vorhaben betriebswirtschaftlichen Erfolg versprachen und welche nicht. So habe sie als Beraterin Forschungs-Portfolios verändert und zum Abbruch zahlreicher Projekte beigetragen, erzählt sie. Danach wollte Erickson genauer herausfinden, welche organisatorischen Faktoren eine Firma erfolgreich machen. Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, dass die unterschiedlichsten Organisationen Erfolg hatten und in diesen sehr verschiedene Kulturen herrschten. Oft waren die besten auch die sonderbarsten. Exxon Mobile und Google hatten wenig, was sie verband. Gemeinsam war den Konzernen allerdings, dass sich ihre Mitarbeiter stark mit ihnen identifizierten und sich für sie engagierten.
Als zentrale Erkenntnis aus zwölfjähriger Forschungsarbeit fordert Erickson nun erstens, dass eine Firma konsistent das sein sollte, was sie behauptet zu sein. Dann könne sie auch diejenigen Mitarbeiter rekrutieren, die am besten zu ihr passten und die ihr dann treu blieben.
Zweitens sollten es Firmen schaffen, ihre Mitarbeiter zur engen Zusammenarbeit anzuhalten. Der gute Manager muss laut Erickson für den stimulierenden Rahmen sorgen. Er sollte mehr Fragen stellen als Antworten geben und sich überlegen, wie er unterschiedliche Sichtweisen berücksichtigen kann.
Drittens hat sich Erickson in den letzten Jahren intensiv mit Unterschieden zwischen den Generationen beschäftigt. Sie glaubt, dass die in einfacheren Verhältnissen aufgewachsenen, heute etwas älteren Generationen viel stärker wettbewerbsorientiert sind und mehr Sicherheit durch Eigentum und stabile Beschäftigungsverhältnisse suchen als diejenigen, die heute ins Erwerbsleben treten. Die talentierten Jüngeren forderten mehr Sinn und Herausforderung in ihrer Arbeit und seien viel schlechter in längerfristigem Planen. Sicherheit suchten sie in persönlichen Netzwerken, nicht in Anstellungen. Erickson gibt sich überzeugt, dass das nicht nur eine Frage des Alters ist, sondern auch später so bleibt. Darin sieht die Amerikanerin eine grosse Chance für innovative Unternehmen. Der technologische Wandel senkt die Kosten einer Zusammenarbeit auf Distanz, und wer in den kommenden Jahren erfolgreich sein wolle, müsse jetzt schon über neue Arbeitsformen nachdenken. Für Erickson gehört die Zukunft der projektbasierten Arbeit. Die Herausforderung für Firmen werde künftig lauten, die richtigen Spezialisten für verschiedene Projekte zu finden und auf Zeit zusammen zu bringen. Dafür müssten die Unternehmen bereit sein, die hierarchischen Organisationsformen zu überdenken. Dass dabei die Loyalität und die Identifikation verloren gehen könnten, scheint sie nicht zu beunruhigen. Vielleicht wegen ihrer Begeisterung für künftige Generationen, vielleicht auch, weil ihre Tochter in England studiert: Erickson verwendet viel Zeit für die London Business School. Ihre Studenten führt sie regelmässig in die grossen historischen Museen. Sie wolle die angehenden Manager zum Nachdenken über den historischen Kontext bringen, sagt sie. Viele Ideen seien in ihrer Zeit phantastisch gewesen, würden aber heute wenig Sinn ergeben. Auch unser Geschäftsalltag sei im letzten Jahrhundert entstanden. Nun gelte es, diesen kritisch zu hinterfragen und zu verändern. Zweifellos möchte Erickson dabei noch etwas Geschichte aktiv mitschreiben.
Quelle: Peter A. Fischer: „Auf den Spuren des Erfolgs„, Neue Zürcher Zeitung, 8.8.2016, S. 13.
Das projektbasierte Arbeiten stellt m.E. eine der wichtigsten, strategischen Erkenntnisse dar, denn interdisziplinäre Projekte erfordern zwangsläufig aufgemischte Organisationsstrukturen und Arbeitsformen. Anderseits wird es immer wichtiger, dass die Projekte nachweisbar auf die strategischen Ziele ausgerichtet sind. Was die Ziele betrifft, kommt ein konsistent geführtes Unternehmen nicht darum herum, ein hierarchisches Zielsystem aufzubauen und nachhaltig zu pflegen.