Nachhaltigkeit bedingt Führungsqualität 

MARIUS KLAUSER 

Auf einer zunehmend ganzheitlichen Informationsbasis lässt sich nachhaltiger führen, berichten, prüfen, investieren und regulieren. Denn: Weiter wie bisher ist für unsere Welt keine Option. 

Führen: anders denken und handeln

Ein Unternehmen sollte nicht anstreben, kurzfristig das beste Unternehmen der Welt, sondern langfristig das beste Unternehmen für die Welt zu sein. Immer mehr Organisationen versuchen daher, Nachhaltigkeitsüberlegungen verstärkt in ihre Mission einzubauen (Purpose) und auf entsprechende Werte hinzuwirken (Culture). Zweck- und Kulturentfaltung brauchen aber Führung. Die Qualität der Führung steuert, wie ökologische, soziale und finanzielle Ressourcen in Nutzen umgewandelt werden und dadurch ein nachhaltiger Unternehmenserfolg resultiert. In den wesentlichen Führungsprozessen – Strategieentwicklung, Personalentwicklung, Organisationsgestaltung, Wertschöpfungssteuerung und Arbeitssteuerung – sind daher wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Aspekte zu verankern. 

Berichten: Transparenz schaffen 

In der Schweiz orientiert man sich mit der Umsetzung des Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI) und der verbindlichen Umsetzung der international anerkannten Empfehlungen der “Task Force on Climate-related Financial Disclosures” (TCFD) für grosse Unternehmen an einem international anerkannten Framework. Der Verordnungsentwurf zu TCFD müsste jedoch auf Mindestanforderungen fokussiert und konkreter ausgestaltet werden, um eine hohe Vergleichbarkeit der offengelegten Informationen zu ermöglichen. Zudem wären vergleichbare Offenlegungspflichten zu weiteren Umwelt- und Sozialbelangen zielführend. 

Prüfen: Informationen validieren 

Die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsinformationen lassen sich durch eine unabhängige Prüfung erhöhen, was gerade auch für Investierende wichtig ist. Die EU-Regulierung mit der entsprechenden Prüfpflicht dürfte schon bald auch in die Schweiz mit ihren zahlreichen multinationalen Unternehmen überschwappen. Bei Prüfungen von Compliance-Management-Systemen und Nachhaltigkeitsberichten bürgen zugelassene Revisionsunternehmen für hohe Qualität auf Basis professioneller Prüfungsstandards. 

Investieren: langfristig Wert schaffen 

Aktionäre investieren in Firmen, Manager in Produktionsanlagen, und Konsumierende prägen mit ihrem Verhalten (Nachfrage) die Wirtschaftsleistung (Angebot). Entsprechende Entscheidungen erfolgen jedoch oft mit Blick auf kurzfristige Eigeninteressen und weniger auf ein grösseres, nachhaltiges Ganzes. Daher wird es über die kommenden Jahre notwendig sein, die Moral nicht an Unternehmen zu delegieren, sondern an Bürger, welche über demokratische Prozesse zu passenden Rahmenbedingungen beitragen. 

Regulieren: intelligent statt viel 

Wissend um langwierige politische Prozesse, sind umso mehr kurzfristige Opportunitäten zu nutzen: Die Verbindung der Entwicklungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung mit den Herausforderungen der absehbaren Mindestbesteuerung könnte hier eine Chance bieten. Bei der Mindestbesteuerung ist alles daran zu setzen, dass die Standortattraktivität hochgehalten wird, um Abwanderung von Steuersubstrat zu vermeiden. 

Es wäre daher auszuloten, ob Unternehmen, welche gemäss ihrer nicht-finanziellen Berichterstattung Aspekte wie CO2-Reduktion, Diversität, Weiterbildung der Belegschaft überdurchschnittlich gut erfüllen, belohnt werden könnten. Unternehmen für Gewinn in Einklang mit Gesellschaft und Umwelt zu belohnen, dürfte ein mehrheitsfähiges Ansinnen sein. Zudem würde die Schweiz dadurch ein attraktiverer Standort für verantwortungsvolle Unternehmen. 

Während Nachhaltigkeit in Unternehmen früher teilweise eine reine PR-Aufgabe war, ist sie infolge der Berichterstattungskomponente teilweise zur Pflichtübung des Finanzchefs geworden, sollte aber zu einer undelegierbaren Führungsaufgabe des Verwaltungsrats – unterstützt durch das Management – werden. Verantwortungsvolle Führung bewegt Menschen, Unternehmen und Staaten hin zu einer lebenswerten Zukunft. 

Quelle: NZZ, 17.9.2022

Alter Wein aus neuen Schläuchen, denkt unweigerlich ein kritischer Leser des Artikels, der in der NZZ vom 17.9.2022 erschienen ist. Wieso? Der Autor stellt unter dem Deckmantel und Modewort “Nachhaltigkeit” ein willkürliches 5-Punkte-Programm vor, das die Probleme der Welt lösen soll. Im Artikel stecken viele gute Ideen, wirklich neu sind diese aber nicht. Vielmehr strotzt der Artikel nur so von Binsenwahrheiten, Selbstverständlichkeiten, Modewörtern und Zirkelschlüssen. 

Im Zentrum des Konzepts steckt die Vorstellung, nachhaltiger zu prüfen und zu regulieren. Der Autor schreibt einleitend von einer “zunehmend ganzheitlichen Informationsbasis”, die unter anderem nachhaltiger prüfen und regulieren lässt. Wie sich das der Autor vorstellt, wird nicht klar, aber aufgrund seiner bürokratischen und regulatorischen Belohnungsidee lässt es sich ausmalen. Im Klartext: “Es wäre daher auszuloten, ob Unternehmen, welche gemäss ihrer nicht-finanziellen Berichterstattung Aspekte wie CO2-Reduktion, Diversität, Weiterbildung der Belegschaft überdurchschnittlich gut erfüllen, belohnt werden könnten.” Der Autor, nicht wirklich überraschend, stammt aus der Ecke der Wirtschaftsprüfung.

PS: Dem Autor sind übrigens einige Tippfehler unterlaufen, die von der NZZ-Redaktion übersehen wurden. Zur besseren Verständlichkeit des Artikels habe ich die Fehler korrigiert…

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