Teure Visionen für staatliche IT-Grossprojekte

Wie die neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 20.5.2011 schreibt, hat die britische Regierung dem Land ein scharfes Austeritätsprogramm verordnet. Im staatlichen Gesundheitsdienst NHS, der noch vergleichsweise schonend behandelt wurde, werden Einsparungen von 20 Mrd. £ gesucht. Da treffen Meldungen über Verschwendung und Misswirtschaft auf sensible Ohren.

Das staatliche Rechnungsprüfungsamt NAO hat am Mittwoch die Alarmglocken angesichts des «grössten zivilen IT-Projekts der Welt» ausgelöst. Dabei geht es um den Versuch, den Gesundheitsdiensten landesweit die Daten aller Patienten elektronisch zur Verfügung zu stellen. Das vor neun Jahren mit einem Finanzrahmen von 11,4 Mrd. £ begonnene Projekt hat bisher 2,7 Mrd. £ verschlungen, denen gemäss dem Amt kein angemessener Gegenwert gegenübersteht. Das Datum, ab dem der Dienst laufen sollte, wurde längst von 2010 auf 2016 verschoben. Gleichzeitig wurden die Anforderungen laufend redimensioniert, ohne dass die Rechnungen der Lieferanten sich den schrumpfenden Erwartungen angepasst hätten. Das NAO meint warnend, es gebe keinen Grund zur Annahme, dass weiteren Ausgaben von 4,3 Mrd. £ mehr Erfolg beschieden sein werde. Das Ziel des Projekts werde mit Sicherheit verfehlt werden. Das Amt überlässt die politischen Schlussfolgerungen der Regierung, welche eine Untersuchung angekündigt hat. Die Gelegenheit für einen Notstopp wäre günstig, da die Verantwortung noch der früheren Regierung zugeschoben werden könnte.

Das Debakel erinnert an ähnliche Projekte, die in vielen Ländern, auch in Deutschland oder der Schweiz, vorangetrieben werden – mit ähnlichen Ambitionen und ähnlichen Schwierigkeiten. Die Anforderungen bei riesigen Datenmengen, Millionen Beteiligten und hohen Sicherheitsanforderungen sind derart hoch, dass die Wirklichkeit den Zielen oft weit hinterherhinkt. Wenn Politiker, Beamte und IT-Manager glanzvolle Visionen und weltgrösste Projekte preisen, ist aus Sicht des Steuerzahlers grösste Vorsicht geboten.

“Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen”, meinte einst Alt-Kanzler Helmut Schmidt. Im vorliegenden Fall nicht ganz zu Unrecht…

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