Vertrauen missbraucht

Wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 15. Februar 2013 schreibt, sorgte der Fall im Sommer 2010 landesweit für Aufsehen. Damals entdeckten die Verantwortlichen der Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG (BET), dass der Buchhalter des Tourismusunternehmens während mehr als eines Jahres Geld von Firmenkonten abgezweigt hatte. Insgesamt rund 10,4 Mio. Fr. hatte er in eine dubiose Investmentgesellschaft in Macau angelegt und davon nie einen Rappen zurückerhalten.

«Egoistisch gehandelt»

Seit Donnerstag läuft in Sarnen der Prozess gegen den heute 37-jährigen Mann. In der Befragung beteuerte der geständige Ex-Buchhalter, er habe sich nie persönlich bereichern wollen, sondern das Geld für seinen Arbeitgeber möglichst gewinnbringend anlegen wollen. Auf diese Weise wollte er Investitionen in neue Bahnanlagen finanzieren. Wieso er allerdings als Anlagevehikel eine Investmentgesellschaft wählte, die eine Rendite von bis zu 566% versprach, konnte der verunsichert wirkende Angeklagte nicht erklären. Aus der Distanz von vier Jahren könne er viele Entscheide nicht mehr rational nachvollziehen. Am liebsten würde er das Rad der Zeit zurückdrehen.

Die Befragung zeigte, dass fehlende Sicherheitssysteme und mangelnde Kontrollen die insgesamt 24 Geldtransaktionen von bis zu 1,4 Mio. Fr. relativ leicht gemacht haben. So lag der Code für die notwendige E-Banking-Unterschrift des Geschäftsführers in einer Schublade im Büro des Angeklagten, was offenbar mehreren Angestellten bekannt war. Damit sollte die Effizienz bei den Zahlungsabläufen gesteigert werden. Auch seien die E-Banking-Transaktionen in den letzten beiden Jahren durch den damaligen Finanzchef nicht mehr kontrolliert worden.

Die Oberstaatsanwältin fordert für den Beschuldigen eine unbedingte Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen mehrfacher Veruntreuung, mehrfacher Urkundenfälschung und der mehrfachen Unterdrückung einer Urkunde. In ihrem Plädoyer warf sie dem ehemaligen Buchhalter vor, er habe «hemmungslos das Vertrauen seines Arbeitgebers missbraucht». Dieses Verhalten sei umso unverständlicher, als ihm grosse Wertschätzung entgegengebracht worden sei. So sei er als Nachfolger des vor der Pensionierung stehenden Finanzchefs designiert gewesen.

«Masslos und grenzenlos enttäuscht» über den Vertrauensbruch zeigte sich BET-Verwaltungsratspräsident Hans Hess. Mit seinen Machenschaften habe der Buchhalter das Unternehmen an den Rand einer Katastrophe geführt, da im Sommer 2010 kaum noch Liquidität vorhanden gewesen sei. Man könne nicht die Firma für die Veruntreuungen verantwortlich machen. Die Titlisbahnen haben die Kontrollmechanismen verstärkt und ein Audit-Committee geschaffen (NZZ 26. 7. 12). Die Staatsanwältin nahm dem Angeklagten die uneigennützigen Motive nicht ab und warf ihm vor, «gewinnsüchtig und egoistisch» gehandelt zu haben. Er habe seine Verfehlungen systematisch und gezielt verschleiert.

Nicht Familie bestrafen

Der Verteidiger demgegenüber strich hervor, dass der Buchhalter sich vor den fragwürdigen Investitionen nie habe etwas zuschulden kommen lassen. Zudem habe er seit längerem wieder einen neuen Job, in welchem er sich tadellos bewährt habe. Der Buchhalter sei selber Opfer von skrupellosen Betrügern geworden.

Zudem legte der Verteidiger den Finger auf den wunden Punkt, dass bei den Titlisbahnen die Regeln auf dem Papier nicht der gelebten Wirklichkeit entsprochen hätten. So sei die Vorschrift, wer zur Kollektivunterschrift berechtigt sei, nicht eingehalten worden. Zudem habe die Geschäftsleitung Warnsignale übersehen. So im März 2010, als der für die Titlisbahnen Verantwortliche telefonisch eine verdächtige Transaktion nach Macau gemeldet habe. Der damalige Finanzchef sei diesem Hinweis nicht weiter nachgegangen, sondern habe den Bankvertreter mit dem Angeklagten verbunden.

Der Antrag der Verteidigung lautet auf 16 Monate bedingt wegen ungetreuer Geschäftsführung, begangen zwischen März 2010 und Juni 2010. In einem emotionalen Schlusswort bat er um eine bedingte Strafe, da er nur so seinen neuen Job behalten und für seine Familie sorgen könne. Das Urteil wird am Freitag verkündet.

Ein Fall bietet hervorragenden Anschauungsunterricht für organisatorische Defizite.

Leave a Comment