Stiftungsräte werden zur Kasse gebeten

Als das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) als Aufsichtsorgan Mitte 2006 der Pensionskasse First Swiss Pension Fund den Stecker zieht, ist es längst zu spät: Von über 30 Mio. Fr. fehlten nach nur drei Jahren Existenz des in Hünenberg beheimateten First Swiss Pension Fund jede Spur, beziehungsweise versickerten in Italien. Die Gründer der Kasse, die Vorsorgegeld von Bauarbeitern und Gewerblern hätten verwalten sollen, hatten die Millionen abgezweigt, ohne dass Stiftungsräte, Pensionskassenexperte, Vermögensverwalter, Revisor, Buchhalter oder Aufsicht «Foul» geschrien hätten.

Das aber hätten sie müssen, sagt nun das Bundesgericht: Laut neun jüngst ergangenen Urteilen aus Lausanne, alle diese Kasse betreffend, müssen nicht nur die Anstifter der Veruntreuung für den Schaden einstehen, sondern die ganze Kontrollpyramide, die versagt hat. Damit schliessen sich die obersten Richter dem Verwaltungsgericht Zug an, das schon erstinstanzlich zum Schluss gekommen war: Nicht nur alle Stiftungsräte der Kasse müssen solidarisch die 30 Mio. Fr. begleichen, sondern auch Revisor, Pensionskassenexperte, Buchhalter, Vermögensverwalter. Sie alle hätten ihre Verantwortung und Pflichten mehrfach verletzt, teils auf grobfahrlässige Weise. Total nimmt das Bundesgericht 13 Personen in die Pflicht, mit unterschiedlich hohen Geldforderungen. Für Hans-Ulrich Stauffer, Anwalt und Autor des BVG-Standardwerkes, ist das neue Bundesgerichtsurteil eine Sensation. Er sei froh darüber. Zum ersten Mal würden alle Verantwortlichen persönlich zur Kasse gebeten. «Das Urteil setzt neue Massstäbe an die Verantwortlichkeiten von Stiftungsräten», sagt Stauffer. Bisher seien Verantwortliche von Pensionskassen in solchen Fällen oft zu gut davongekommen. «Damit scheint es vorbei zu sein.»

Das Urteil sei ein Warnschuss für solche, die meinten, man könne sich einfach in eine Stiftung wählen lassen, ohne genau zu kontrollieren, was darin geschehe, sagt Stauffer. «Denn neu ist vor allem, dass das Bundesgericht auch jene haftbar macht, die erst nach dem Aufsetzen der mafiösen Struktur der Pensionskasse zum Stiftungsrat gestossen sind.» Die Richter machten klar, dass diese später eintretenden Stiftungsräte die Pflicht gehabt hätten, sich bei Amtsantritt um die laufenden Geschäfte zu kümmern und Missstände anzuzeigen. Dass das Bundesgericht den Fall der First Swiss überhaupt beurteilte, ist dem Sicherheitsfonds der zweiten Säule (Sifo) zu verdanken.

Der Sifo ist eine Art Versicherung und hatte rund 33 Mio. Fr. an die geprellten Versicherten gezahlt. Um das Geld zurückzuerhalten, klagte der Sifo die 13 Verantwortlichen ein. Sifo-Geschäftsleiter Daniel Dürr bestätigt, dass fast die ganze Kontrollpyramide vom Bundesgericht zur Verantwortung gezogen werde. «Beim First Swiss Pension Fund wurden Vorgaben des Gesetzgebers betreffend der Vermögensanlagen in krasser Weise nicht eingehalten. Trotzdem blieben die involvierten Personen über mehr als zwei Jahre untätig und haben ihre Kontrollfunktionen nicht wahrgenommen», sagt Dürr. Die Forderung über 30 Mio. Fr. ist die höchste je vom Sifo gerichtlich eingeforderte Summe. Ob die Verurteilten in der Lage sind, das Geld zurückzuzahlen, ist indes offen: Der Sifo führt zur Zeit entsprechende Gespräche.

Noch nicht ausgestanden ist die Affäre für die damalige Aufsichtsbehörde BSV. Ein Sprecher des Amtes bestätigt, dass das Staatshaftungsverfahren gegen das BSV im Fall First Swiss noch hängig sei. Das Amt kommt im kantonalen Urteil nicht gut weg. So habe das BSV mehrere Fristerstreckungen gewährt, als Jahresberichte gefehlt hätten. Die Behörde habe sich «in der Tat lange Zeit gelassen, bis sie erstmals mit wirksamen repressiven Massnahmen ins Geschehen eingegriffen habe». Sollte das die nächste Instanz gleich sehen, könnte eine gesalzene Rechnung auf die Steuerzahler zukommen.

Quelle: Charlotte Jacquemart, PK-Verantwortliche müssen 30 Millionen Franken zahlen. Neue Zürcher Zeitung 83 (3.5.15): 35

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