Email mit Tücken

E-Mail hat sich in der Geschäftswelt als Kommunikationsmittel etabliert. Doch einem grossen Teil der Firmen dürfte nicht bewusst sein, dass die elektronische Post zehn Jahre archiviert werden muss. Passivität kann die Firmen teuer zu stehen kommen. Immer mehr Anbieter werben deshalb für massgeschneiderte Mail-Archivierungs-Lösungen.

Als das neue Medium E-Mail vor Jahren in den USA seinen Siegeszug in der Geschäftswelt antrat, wurde es unter anderem als “quick and dirty” bezeichnet. Mit “dirty” waren die gemessen an traditioneller Geschäftskorrespondenz fehlende Formalität und der lockere Umgang mit dem Regelwerk der Sprache gemeint. Jetzt ist eine Bedeutung hinzugekommen: Per E-Mail wird so manches geschrieben, worauf sich der Urheber nicht behaften lassen möchte – insbesondere nicht in einem Rechtsfall. Doch in manchen Ländern gibt es für E-Mail als zeitgenössische Form der Geschäftskorrespondenz eine Aufbewahrungspflicht. In der Schweiz kann die Geschäftskorrespondenz nach einer Änderung des Obligationenrechts von 1999 (Artikel 957, Absatz 3 und 4) nicht nur auf Papier, sondern auch elektronisch aufbewahrt werden und hat auch volle Beweiskraft. Voraussetzung ist, dass Mails jederzeit lesbar gemacht werden können.

Beweismittel für die Gerichte

Der Inhalt von E-Mails wird immer öfter auch als Beweismittel vor Gericht herangezogen. Zu den ersten bekannten Opfern der E-Mail-Archivierung gehörten die zwei prominentesten Bills der USA: Im Antitrust-Verfahren gegen Microsoft beschlagnahmte die US-Justiz belastende E-Mails von Bill Gates, und in der Affäre von Bill Clinton mit Monica Lewinsky blieb es dem damaligen US-Präsidenten nicht erspart, dass sich Fahnder den Jahre zurückliegenden Mail-Verkehr mit Lewinsky vornahmen. Inoffiziell heisst es, die Rekonstruktion aus dem Datenfriedhof des Weissen Hauses habe 10 Millionen Dollar gekostet.

Ebenfalls über eine E-Mail gestolpert ist der von Credit Suisse First Boston entlassene und angeklagte Starbanker Frank Quattrone, der – wie eine interne E-Mail belegt – die Löschung von belastenden Dokumenten angeordnet hatte. Der schnelle Zugriff auf E-Mail ist nicht nur in Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung. Der auf Internet-Fragen spezialisierte deutsche Rechtsexperte Ulrich Emmert weist auch auf Fälle hin, in denen Steuerbehörden alte Mails verlangen oder bei Konflikten etwa bei der Vergabe von Aufträgen das Mail-Archiv als Beweismittel heranziehen. Eine von der Marktforschungsfirma Osterman Research durchgeführte und von der Speicherspezialistin Legato mitfinanzierte Untersuchung bei US-Firmen zeigt, dass 79 Prozent der befragten IT-Verantwortlichen angaben, dass E-Mails für wichtige Geschäftsabläufe eingesetzt würden und knapp jede vierte Firma Auseinandersetzungen mit Kunden und Lieferanten hatte, welche E-Mails betrafen. Die Untersuchung zeigt auch, dass nur 35 Prozent der Firmen über ein Archivsystem verfügten. Softwarehersteller werben mit dem Hinweis für ihre Archivierungslösungen, dass allgemeine Backup der Firmendaten für eine gezielte Wiederherstellung nicht produktiv seien, was angesichts der fehlenden systematischen Archivierung der sehr verbreiteten Mail-Software Outlook von Microsoft als Argument einleuchtet. Dass die Wiederherstellung alter Mail teuer werden kann, erfuhr die UBS Warburg gemäss der “New York Times” vom letzten Samstag in einem Rechtsstreit mit einer entlassenen Mitarbeiterin, die 94 E-Mails als Beweis vorbringen wollte. Die UBS Warburg verlangte von der Klägerin 175’000 Dollar für die Rekonstruktion, eine Richterin entschied nun, dass die Investmentbank die Kosten selber zu tragen hat.

Busse bei Unterlassung

Laut Rechtsanwalt Ulrich Emmert gibt es in der Schweiz noch keine Rechtsfälle, in denen es um den Verstoss gegen die Aufbewahrungspflicht von E-Mails gegangen ist. Emmert kennt aber Fälle, in denen Firmen die Bezahlung einer Busse den Nachteilen eines öffentlichen Verfahrens vorgezogen hätten. Gewichtige Fälle sind dafür aus den USA bekannt. Laut dem Wirtschaftsmagazin “Forbes” mussten im Dezember 2002 fünf Brokerfirmen, unter ihnen Morgan Stanley, Goldman Sachs und Salomon Smith Barney, über acht Millionen Dollar Busse zahlen, weil sie ihren E-Mail- Verkehr nicht vorschriftsgemäss archiviert haben. Während in Deutschland die Aufbewahrungspflicht für Geschäftskommunikation sechs Jahre beträgt, sind es in der Schweiz gar zehn Jahre (Artikel 962 OR). Das kompliziert die Aufgabe wesentlich, denn mit der längeren Zeitspanne stellt sich nicht nur das Problem des wachsenden Dokumentenbergs, sondern auch dasjenige der Diskontinuität der Dateiformate. Mit dem schnellen Wandel der Software sind Firmen gut beraten, auch die entsprechende Soft- und Hardwareumgebung zu “archivieren”, um die Lesbarkeit alter Mails sicherzustellen.

Quelle: vgl. NZZ 23. Mai 2003

Der schnelle Zugriff auf Email ist nicht nur in Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung. Der auf Internet-Fragen spezialisierte deutsche Rechtsexperte Ulrich Emmert weist auch auf Fälle hin, in denen Steuerbehörden alte Mails verlangen oder bei Konflikten etwa bei der Vergabe von Aufträgen das Mail-Archiv als Beweismittel heranziehen.

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